Fernweh nach Chile: Was tun?

Es ist ein fieses Gefühl. Erst ziept es im Magen. Und dann im Arm. Ich werde traurig und muss kurz überlegen, was eigentlich gerade falsch war und auf einmal sehe ich die Hügel von Valparaiso vor mir und fühle: Da wäre ich gerade am liebsten. Fernweh voller Nostalgie nach der zweiten Heimat: Chile. Eine unheilbare Krankheit, die immer wiederkommt.

Cerro Bellavista

Flashbacks bei chilenischer Musik

In letzter Zeit ist es wieder besonders schlimm, denn ich hatte so viele Chile-Momente. Vor kurzem habe ich hier in Karlsruhe endlich meinen Arsch hochbekommen und bin zu einem Konzert von Chico Trujillo gegangen. – Zum Auftritt einer ganz ausgezeichneten chilenischen Band. Ich wohne seit zwei Jahren in Karlsruhe und habe mir bis dahin erfolgreich eingeredet, dass es hier ganz bestimmt keine Latinos gibt und schon gar keine Chilenen. Ist natürlich absoluter Quatsch. Ich kam am Alten Schlachthof an, um das Konzert zu sehen und überall um mich herum chilenischer Singsang. Diese Sprache, die in mir immer ein Gefühl von „angekommen“ auslöst und allen traditionellen Spanischlehrern Angst macht, weil es im chilenischen Spanisch einfach keine saubere Aussprache gibt. Egal.

Sabi que? Ella también es chilena.“ „No, pero bakan! Wueeeeeenaaaaaaa.“ „Si, tu cachay, po! La misma onda.“

Die Band kommt auf die Bühne und wir fangen an zu tanzen. Alle. Irgendwie. Und egal wie. Jeder wie er kann und wie es ihm Spaß macht. Ich bin verknallt in den Moment und lasse mich in die Musik fallen. Meine Füße folgen automatisch dem Beat der vielen Menschen auf der Bühne. Sie feiern als wäre das der letzte Abend überhaupt. Im Raum ist eine außergewöhnliche Energie. Ein großartiger Moment. Wie gut, dass ich den Arsch doch noch hochbekommen habe, denke ich kurz und dann versuche ich den Kopf auszuschalten und tanze weiter. Mein Herz macht einen doppelten Salto. Das hatte mir so sehr gefehlt.

Musik über: Liebe – Verlassen werden – Suchen und finden

Die Musik aus Chile, die Texte, in denen es einfach immer um die Liebe, das Verlassen und das Suchen und Finden geht. Ich liebe das. Immer wieder.

Ahora quién – Chico Trujillo

¿Ahora quién, si no soy yo?

Me miro y lloro en el espejo y me siento estupido,

ilógico, y luego te imagino toda regalando el olor de tu piel,

tus besos, tu sonrisa eterna …..

y en mi alma está el beso que pudo ser.“

Wer ist es jetzt, wenn ich es nicht bin?

Ich schaue mich im Spiegel an, weine und fühle mich wie ein Dummkopf

Unlogisch. Und dann stelle ich mir vor, wie du den Geruch deiner Haut verschenkst.

Deine Küsse, dein unendliches Lächeln……

Und in meiner Seele ist der Kuss der hätte sein können.

Ja, auf Deutsch liest es sich seltsam. Übertrieben. Kitschig. Meine Mama sagt: „Liebe funktioniert besser auf Spanisch – in Songs oder Gedichten.“ Da sind übrigens auch die Werke von Pablo Neruda ein gutes Beispiel für. Übersetzt klingen die nur halb so wahr und gefühlsecht.

Das Konzert geht weiter. Immer wieder wird ein Beat vorgegeben, der alle Herzen nach oben springen lässt und alle tanzen durcheinander, mit strahlenden Gesichtern. Das ist der Moment, um Nostalgie und eben gespürten Kummer über die Dinge, die nicht sein sollten, wegzutanzen.

Dank chilenischer Musik: Endorphine überall

Hinterher ist mein ganzer Körper voller Endorphine. Bitte bleibt, denke ich bei mir. Geht nicht wieder weg. Es ist ein Teufelskreis. In Chile dauerhaft leben, wollte ich nie. Und das will ich noch immer nicht. Aber ich vermisse das Land aus der Ferne einfach so sehr. Die Musik, Konzerte, chilenische Menschen in Deutschland, Whatsapp-Konversationen mit meinen Freundinnen in Chile und Flugtickets dorthin – das sind meine Pflaster. Sie machen, dass es mir für eine Weile besser geht. Aber de Schmerz. Das Fernweh und die Sehnsucht kommen immer wieder. Dann nehme ich mir meistens ein Buch von Isabel Allende, in dem sie sich liebevoll über die chilenische Kultur lustig macht und in Gedanken sitze ich an de Calle Templeman in Valparaiso, rieche Fisch und Salz und schaue aufs Meer.

Mein Lieblingsplatz in Valparaiso: Calle Templeman

Akzeptiere, was du nicht ändern kannst

Klar: akzeptiere, was du eh nicht ändern kannst. Ich habe mich damit abgefunden. Es ist Teil von mir. Aber für Menschen in meinem Umfeld ist es nicht immer leicht diese ständige Sehnsucht zu verstehen. Sie wird immer da sein. Sie begleitet mich durch das Leben und drückt mir den unverwechselbaren Stempel auf: Etwas zu impulsiv, Drama-Queen und im nächsten Moment doch so unfassbar analytisch, pünktlich und organisiert. Was ist das denn für eine? Eine Deutsch-Chilenin. Immer auf der Suche.

Ausblick vom Cerro Conepción

Was hilft gegen Fernweh?

Musik

Chico Trujillo

Los Jaivas

Inti-Illimani

Filme

Machuca, mein Freund

No!

Bücher

Das Geisterhaus – Isabel Allende

Fortunas Tochter – Isabel Allende

Portrait in Sepia – Isabel Allende

Von Liebe und Schatten – Isabel Allende

Liebesgedichte – Pablo Neruda

Mit brennender Geduld – Antonio Skármeta

Fotos: Raphael Timm & Athene Pi Permantier

Springfotos im Urlaub – wozu?

IAthene_Pi_06ch kann mir nicht helfen! Wenn jemand mir sagt: „Spring mal eben hoch – das wird ein tolles Foto, ein perfektes Andenken.“ Dann zieht sich mein Magen zusammen und meine Foto-Lust ist vorbei. Liegt wohl auch daran, dass ich Leute kenne, die Springfotos lieben und im Urlaub alle paar Minuten welche haben wollen.

Ich gebe es zu: Ich bin nicht besonders gut darin: Weder im Springfotos schießen, noch darin auf solchen Fotos springend in der Luft zu sein. Ich glaube, dass es vor allem daran liegt, dass ich wenig Geduld habe. Außerdem: So gut sehen die gar nicht aus, oder?

Was ist die Faszination dahinter?

Aber eine gewisse Faszination müssen diese Bilder ja haben. Immer wieder schwirren Springfotos durch die sozialen Netzwerke – selbst auf diesem Blog sind welche gesichtet worden. Ist es wohl der Wunsch das eigene Leben wie auf einem Werbeplakat abzubilden und auszusehen wie eine locker-leichte Fee in der Luft? – Wie der unbeschwerteste Mensch auf dem Planet, der ein Lächeln für alle Daheimgebliebenen auf Lager hat? Und eine Prise Lockerheit für alle gestressten? Ich denke ja – und habe im Video in Italien drüber nachgedacht! Was meint ihr?

 

Eine Liebeserklärung: Wahre Freundschaft hält Distanz aus

Freundeschaft verändert sich. Manchmal verblasst sie. Manchmal endet sie. Leider. Aber meine Erfahrung hat mir gezeigt: Stimmt die Substanz, bleibt die Freundschaft erhalten – auch wenn einer von beiden weit weg lebt.

Aus den Boxen dröhnt „Lo que paso paso“ von Daddy Yankee. Wir schreien jede Zeile mit. Laut und schief: „Esta noche contigo la paseeee bieeeen. Ooohoooooo….“ Unz tata unz unz, unz tata unz unz. Reggaeton halt. – Der wollte ja noch nie besonders einfallsreich sein, aber mich bringt er immer zum tanzen. Es ist drei Uhr morgens – langsam ist der Club in Santiago voll.

Gemeinsam in der zweiten Heimat „Chile“

Schminken können sie noch üben…

Meine Freundin Miri und ich sind zusammen hier – es ist unsere große gemeinsame Reise im Jahr 2006. Wir tanzen, drehen uns im Kreis, lachen uns an – die Augen etwas glasig vom Escudo-Bier. Die Gesichter dezent überschminkt. Zwischendurch werden wir von ein paar Jungs zum Tanz aufgefordert – wir drehen ein paar Runden mit ihnen, aber finden immer wieder zueinander zurück. Einer dieser unzähligen Momente, die ich nie vergessen werde.

 

Im Canyon del Colca in Peru

Bunte Erinnerungen und ein ewiger Soundtrack

Es sind die Erinnerungen, untermalt von einem besonders guten Soundtrack, die Freundschaften zusammenhalten. Erinnerungen, die uns aneinanderkleben. Sie sind eine Art klebrige Masse, die sich in unseren Köpfen festgesetzt hat – So ähnlich wie der Ahornsirup, der die verschiedenen Lagen einer Pfannkuchentorte zusammenhält, kleben die Erinnerungen zwischen uns und den Menschen, die uns im Leben begleiten.

Kennengelernt: Am ersten Tag der Uni. Die Basis: Chile

Als Miri und ich in Chile waren, kannten wir uns bereits ein paar Jahre. Wir haben uns am ersten Tag an der Uni kennengelernt, als wir nebeneinander zum Geschichtsseminar in der Uni-Bibliothek in Köln gelaufen sind. Beide noch etwas verloren an dieser Massenuni, bereit das Kapitel „Studium“ zu beginnen und doch voller Angst. Unsere Blicke haben sich getroffen: „Gehst du auch zu Geschichte?“ „Ja! Studierst du auch Regionalwissenschaften Lateinamerika?“ „Ja, genau! Ich bin in Chile geboren worden.“ „Ach krass, ich auch.“ Lächeln.

Wie haben gemeinsam geweint, gelacht und Herzen geheilt

Das Eis war gebrochen: Nach zwei Minuten war klar, dass wir uns mögen und Zeit miteinander verbringen wollen. Zu zweit sind wir durch die Kölner Clubs gezogen, haben Kaffee an der Uni getrunken solange wir ihn uns leisten konnten, Schawarma an der Zülpicher Str. gegessen, Tracks von „Muse“ gehört, Karneval gefeiert, Pasta gekocht, „Autogenes Training“ ausprobiert und für uncool befunden und stundenlang über Männer sinniert. Wir haben gemeinsam geweint als Beziehungen zerbrochen sind, haben uns immer wieder gesagt, dass der eine ganz bestimmt noch auf uns wartet und dann haben wir „unabhängig sein“ geübt.

Viel zu lachen in Peru

Eine unkomplizierte Freundschaft

Es ist eine dieser intensiven, unkomplizierten Freundschaften: Ohne Stress – mit viel Wertschätzung. Allerdings hatte ich immer weniger Geduld als Miri. Als ich nach Chile reisen wollte, kam sie erst nicht hinterher. Sie konnte sich nicht entschließen den Flug zu buchen. Also habe ich Fakten geschaffen – meinen Flug gebucht und ein paar Wochen später hatte Miri dann auch ein Ticket.

30 Stunden im Bus

Mit dem Rucksack haben wir uns in Santiago in den Bus gesetzt, sind 30 Stunden bis in die nördlichste Ecke von Chile, nach Arica gereist und das war erst der Anfang. Von Tacna über Arequipa sind wir bis nach Cusco und Machu Pichu gereist. Dort haben wir mittags neben Lamas unter Bäumchen geschlafen – mitten im Weltkulturerbe. Wir waren in San Pedro de Atacama und konnten die Schönheit der Welt nicht in Worte fassen.

Es waren intensive Wochen und doch haben wir uns nur genau einmal angezickt. In Iquique am Strand. Hinterher haben wir übrigens festgestellt, dass wir in dem Moment beide überspannt waren, weil wir BEIDE unsere Periode bekommen hatten. Rückblickend ironisch.

Valle de la Luna, Chile

Wenn ich kurz meine Augen schließe, sehe ich uns im Bus auf einer der vielen langen Fahrten. Miri liegt neben mir auf dem Sitz und schläft. Ich höre Muse oder Coldplay und versuche die sagenhafte Natur mit meinen Augen zu fotografieren.

Mal in Nostalgie schwelgen – mal neue Erinnerungen schaffen

In manchen Jahren haben wir viel Zeit miteinander verbracht – in anderen Jahren waren wir nicht am gleichen Ort. Und in dieser Zeit merke ich immer, welche Substanz eine Freundschaft wirklich hat: Lebt man sich auseinander? Oder ist es nur eine kurze Pause, nach der sich alles wieder wie früher anfühlt? Und: Schafft man es beim Wiedersehen neue Erinnerungen zu schaffen oder dreht man sich im Kreis und quirlt nur die alten Zeiten durch? Ich persönlich glaube, dass beides wichtig ist: In Nostalgie schwelgen und dann gemeinsam Neues erleben, neue Erinnerungen schaffen.

San Pedro de Atacama – Laguna Cejar

Ende des Studiums und am Anfang des Berufslebens hatten Miri und ich noch einmal so eine intensive Zeit in Köln, an die ich gerne zurückdenke: Viele bunte Erinnerungen sind das: Miri, Athene und viel „Gin Tonic“, Filme mit Gael Garcia Bernal, Tage am Rhein, Gespräche über die Serie „Gossip Girl“ (kein Scherz), natürlich immer wieder Reggaeton, Julieta Venegas, manchmal ein Glas Whiskey on the rocks und im Winter mal ein Becher Grog. Ja, echt. Wow. Dazu lange Abende am alten, runden Tisch in der Wohnküche meiner Wg, Gespräche über Männer, darunter welche, die uns gut taten und andere, die vorbeiziehen sollten. Es ging viel um verpasste Chancen und neue Wege.

Natürlich gab es auch gemeinsame Whatsapp-Analysen: „Warum schreibt er nicht?“ Oder: „Warum ist der so wortkarg? Zeig mir den mal, dann kann ich den überprüfen. Ist er vielleicht doch socially awkward?“ Ihr kennt diese Analyseabende mit Sicherheit von Treffen mit euren besten FreundInnen. Diese Abende, an denen man zwar die großen Liebesprobleme nicht lösen kann, dennoch fühlt es sich gut an gemeinsam darüber nachzudenken. – Und hinterher darüber zu lachen! – „Weisst du noch? Als du auf eine Nachricht von DEM gewartet hast?“ „OMG, ja!“

Freundschaft für immer

Miri ist eine dieser Freundinnen fürs Leben. Inzwischen wohnt sie in Kolumbien. Wegen der Liebe – zum Land und zu einem Mann. Ich gebe zu: Ich war traurig als sie mir eröffnet hat, dass sie so weit wegzieht. – Womöglich für immer. Aber nur auf einer Seite des Herzens – auf der anderen Seite habe ich mich diebisch gefreut, dass Miri das gefunden zu haben scheint, was wir uns an jenen langen Abenden erträumt haben: Einen Partner, einen Freund, einen Gefährten, einen Komplizen, einen Menschen, der ihr hoffentlich Herzen und Strahlen in die Augen zaubert.

Miri 2015 in Karlsruhe

Gin al Tony

Seit Miri in Kolumbien wohnt haben wir wenig Kontakt. Aber jede kleine Nachricht von ihr ist ein Geschenk. Umso gerührter war ich, als ich vor kurzem eine lange Nachricht von ihr bekommen habe. Es war ein Text, der mir gezeigt hat, dass Miri unserer Freundschaft den gleichen Wert beimisst wie ich es tue. – Sie hat geschrieben, dass sie oft an mich denkt und dann einen Gin Tonic (oder wie sie ihn dort in einer Bar liebevoll nennen: Gin al Tony) auf unsere Freundschaft trinkt. Sie scheint genauso häufig wie ich unsere Nostalgie-Latino-Playlist zu hören und an unsere Studienzeit zu denken. Sie hat geschrieben, dass ich immer ihre Freundin sein werde. Ganz egal wie selten wir uns sehen. Spätestens an der Stelle habe ich geweint vor Glück. Ein paar Zeilen können unfassbar viel bedeuten: Eine kleine Liebeserklärung und gleichzeitig eine neue Erinnerung für die Zukunft. Ich werde diese Nachricht abschreiben. Nicht, dass irgendwann mein Handy kaputtgeht und ich sie nicht mehr habe.

Herz

Liebe Miri, wenn du da bist, ist das Leben immer ein bisschen leichter, bunter und zauberhafter. Und wenn du nicht da bist, ich aber weiss, dass es dir gut geht, freue ich mich für dich. Jeden Tag. Ich bin froh, dass wir zwei uns haben. Egal, ob du nah bist oder fern. Ich weiss, dass wir für einander da sind. Und wenn wir uns wiedersehen, läuft Daddy Yankee und alles ist wie es sein soll. Gestern. Heute. Morgen. Immer.

Auf die Freundschaft

P.S. Eine solche Geschichte könnte ich über jede meiner liebsten Freundinnen schreiben. Fühlt euch alle geherzt.

Fotos: Athene Pi Permantier, Miriam Heins

P.P.S. Selfies haben wir übrigens schon immer gemacht:

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Karlsruhe – Baden-Baden: Von der Sonne wachgeküsst

Als ich morgens, gegen 6:20 das Haus verlasse, wird es langsam hell und die Straßenlaternen gehen aus. Vögel zwitschern und es riecht nach Pflanzen und Bäumen: Frisch, süß und hoffnungsvoll. Dieser verheißungsvolle Frühlingsduft, der verspricht: Heute könnte es zauberhaft werden. Der Tag liegt noch vor dir. Mach was draus. Und schon geht es los: Sonnenaufgang. 

Noch ist es kühl, im Auto läuft das Radio und auf der Autobahn rollen die LKW fleißig hintereinander her.

Auf einmal trifft mich die Mörgenröte unverhofft von der Seite. Erst rosa, dann orange und so kraftvoll, wie es kein Smartphonefilter hinbekommen könnte. Die Sonne klettert am Horizont in die Höhe. Sie strahlt mit sich selbst um die Wette, ist greller und schöner als ich sie in Erinnerung habe. Sie flirtet mit mir – ich habe dieses Kribbeln im Bauch.

Ein Sonnenaufgang macht Kribbeln im Bauch

Sie lacht mich an und ich habe das Gefühl, dass dieser Moment nur uns gehört: Der Sonne und mir. Mein Gesicht wird warm und hell. Und ich lächle vor mich hin. Irgendwo zwischen Karlsruhe und Baden-Baden.

Auf einmal läuft im Radio „Don’t stop me now“ von Queen und alles fügt sich zusammen. Ich habe das Gefühl, ich muss platzen vor Glück. Das Auto fliegt mit mir über die Autobahn. Ich habe Rückenwind, vergesse die Zeit und könnte ewig weiterfahren. – Immer neben der aufgehenden Sonne her. Was für ein perfekter Moment. Am liebsten würde ich ihn festhalten, einfrieren, einschließen. Das ist für mich die Definition von Frühlingsgefühlen.

Das ist der erste richtige Frühlingsmorgen im Jahr 2016, am 21. April. Heute kann mir nichts passieren. Ich wurde von der Sonne wachgeküsst. Vielen Dank Sonnenaufgang.

Sonnenaufgang

P.S. Leider gibt es von dieser kleinen Affaire keine Bilder. – Ich saß ja im Auto. Falls ihr für die Stimmung trotzdem einen Sonnenaufgang sehen wollt: Der hier ist auch aus Karlsruhe. Vom Turmberg aus.

 

Nostalgie: Einmal frühstücken im Diner von O.C. California

Es ist mein cheesy Mädchenherz was da hin und wieder nostalgisch wird. Ich habe die Serie O.C. California verschlungen! Als ich angefangen habe unseren Roadtrip durch Kalifornien zu planen, war für mich klar, dass ich mindestens einen echten Drehort aus der Serie O.C. besuchen will. Was passt da besser als ein Besuch im echten Diner aus der Serie? Ich finde: Nichts!

Beste Aussicht Kaliforniens

Surfboards, Zuckerwatte und Milkshake

Die Magie der Serie O.C. besteht für mich darin, dass sie mitten im Urlaubsparadies gedreht worden ist. „Wenn das Kalifornien ist, dann muss ich da mal hin“, dachte ich. Sandy kommt vor oder nach der Arbeit von einer Surfsession nach Hause und Seth hat natürlich ein Longboard. Ryan wohnt im Poolhouse – wie der Name vermuten lässt mit Blick auf den klaren, blauen Pool. Und wenn Seth, Summer, Ryan und Marissa mal Hunger haben, dann geht’s ins Diner auf dem Pier, denn da gibt es die besten Chili Cheese Fries und dazu einen Milkshake. Natürlich überhaupt nicht gesund, klingt auch als könne einem davon schlecht werden – aber es hat auch was. Der Blick aus dem Fenster des Diners geht natürlich – wie soll es auch anders sein – direkt auf’s Meer.

Bilder von Sonne, Strand, Surfern und Meer haben sich auch lange nach dem Ende der Serie noch in mein Gedächtnis gebrannt. Ein Wattebausch von vier Menschen, die noch nicht erwachsen werden wollen, nach dem Sinn des Lebens suchen und ihn mehr oder weniger, naja wohl nur zum Teil finden. (Wie so viele von uns) Für immer geblieben ist in meinem Kopf das Bild von den vier Freunden im Diner.

In der Nähe: Reiche Leute Gegend Balboa Island

Im Diner aus der Serie O.C. können wir auch sitzen!

Es war ein kleiner Glückstag, als ich herausgefunden habe, dass es das Diner aus der Serie wirklich gibt. Es ist keine sterile Filmkulisse in irgendeinem Studio in Hollywood. Es ist einfach ein ganz normales Diner auf einem Pier. Ein bisschen enttäuschen muss ich euch allerdings schon: Es befindet sich nicht auf dem Pier von Newport Beach, sondern in Redondo Beach. – Es liegt also deutlich näher an Los Angeles als Newport Beach selbst. – War wohl praktischer für die Dreharbeiten.

Das Diner von außen

Vor dem Besuch war ich aufgeregt, wie an Weihnachten

Auf dem Weg von Venice nach Newport Beach kamen wir da ziemlich genau vorbei. Ich war aufgeregt wie früher an Weihnachten: Wird es da wirklich so aussehen wie in der Serie? Hoffentlich schmeckt es da und mein Nostalgieherz wird nicht enttäuscht. Haben sie vielleicht inzwischen umgebaut und die Sitze sind nicht mehr dunkelgrün und einmal dreiviertel um den Tisch herum? Hoffentlich nicht!

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Direkt neben dem Diner aus O.C.: Ein Pelikan

Der Pier selbst ist alt, aus Holz – etwas abgegessen, aber stylish. Auf den großen, tragenden Balken sitzen Pelikane und sonnen sich. Daneben stehen ein paar ältere Männer und angeln. Und da ist es auch schon: blau auf gelb leuchtet das große Schild mir entgegen! Der „Redondo Coffee Shop“ hat den besten rundherum-Blick auf das Meer. Ich kann es nicht wirklich fassen, dass das Diner einfach so da ist. Ganz natürlich – als hätte es auf uns gewartet.

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Redondo Coffee Shop

Im Redondo Coffee Shop ist die Zeit stehen geblieben

Zumindest sieht es da drinnen genau so aus, wie in der Serie. Erinnert ihr euch noch daran als Ryan und Seth versuchen durch den Hinterausgang zu verschwinden, weil Marissas Noch-Freund Luke mit seinen Freunden am Tisch neben dem Eingang sitzt? – Und die zwei Schiss haben, dass er sie verprügelt? Genau diese Bilder hatte ich vor Augen, als ich im Laden stand. Ich habe mich im Kreis gedreht und einen Tisch ausgesucht. Sogar die Speisekarte erinnert an die Serie.

Amerikanisches Frühstück im O.C. Diner: Viel Fett!

Ein Must-Stop an der Küste Kaliforniens

Wir sind zum frühstücken da. Daher habe ich nicht wirklich Lust auf Pommes mit Milkshake. Also bestellen wir ein großes typisches amerikanisches Breakfast: Coffee, Buttermilk-Pancakes mit Sirup, Egg, Bacon und Toast. Ja, wir hatten Hunger. Und vor allem Bock. Auch wenn es nicht der Ort wäre, wo O.C. gedreht worden ist: Das ist ein tolles, typisch amerikanisches Diner mit fantastischem Ausblick aufs Meer. Für mich ein absoluter Must-Stop auf dem Weg die Küste Kaliforniens entlang. An der Wand des Diner hängt übrigens sogar ein Beweisbild: Eine Autogrammkarte mit Bild der Hauptdarsteller der Serie.

Der Unterschriften-Beweis im Diner: Autogramme der O.C.-Stars

Warum bleibt die Serie O.C. auch Jahre später noch genial?

Ich frage mich manchmal was diese Serie auch Jahre später noch so großartig für mich macht. Vielleicht ist es, weil ich inzwischen selbst surfe und sie nochmal mit anderen Augen sehe? Oder weil ich jedesmal laut lachen muss, wenn Julie Cooper wieder übertrieben fies und doch so ein genial gezeichneter Charakter ist? Vielleicht auch, weil Sandy der Vater ist, den wir uns heimlich alle wünschen, weil er immer auf unserer Seite sein würde? Oder weil Seth Cohen der eigentliche männliche Star der Serie ist. Schließlich ist es total ok, wenn Männer Gefühle zeigen, manchmal albern sind und gleichzeitig liebenswert und sarkastisch.

Ein Leben am Meer allein macht nicht glücklich

Am Ende ist es aber wohl das was uns die Serie über das große Glück lehrt: Du kannst auch in einer Hollywood-Kulisse leben und Kohle haben – Das allein macht eben doch nicht glücklich. Ein Kaffee im Redondo Beach Coffee Shop allerdings schon – für einen Moment.

Fröhlich.

Tipps:

Adresse für andere Fans oder Menschen, die einen guten Frühstücksort in Kalifornien suchen:

Redondo Coffee Shop

141 Fishermans Wharf, Redondo Beach, CA 90277, Vereinigte Staaten

Infos über den Pier gibt es hier

Wir waren im September 2014 da

 

Fotos: Raphael Pi Permantier

Es war einmal… San Pedro de Atacama, Chile

Zwei Mal war ich in San Pedro de Atacama. Zwischen meinen Besuchen liegen 10 Jahre. Und fest steht: Der erste Besuch war ganz anders, einsamer, außergewöhnlich und aus einer ganz anderen Zeit. Deshalb nehme ich euch heute mit auf eine Zeitreise, eine Reise, die heute niemand mehr genauso nachreisen kann. Sie hat mir aber unfassbar schöne Bilder und Erinnerungen aus dem Norden Chiles beschert, die ich gern mit euch teilen möchte.

Eine Zeitreise

Damals, einst… es war einmal… wir befinden uns im September 2006:

Wir sind da! San Pedro de Atacama. Endstation. Der Bus hält in einer großen Staubwolke. Die Straßen sind hier im Ort nicht befestigt. Es sind einfach Sandstraßen. Die Häuser sind einfach gebaut und alle in der gleichen Sandfarbe wie die Straßen. Der Staub frisst sich sofort in die Nähte unsere Kleider.

Innenhof im Hostal
Innenhof im Hostal

San Pedro kommt mir klein vor. Kein Straßenmeer, vielmehr ein Schneckenhaus aus ein paar Straßen. Fast willkürlich in die Wüste gebaut, wäre es nicht eine alte Oase, die früher einmal ihren Platz gefunden hat, weil die indigene Bevölkerung dort leben konnte. – Mitten in der Wüste.

Ich glaube in den vergangenen Jahrzehnten hat sich niemand zufällig nach San Pedro verirrt. Wir auch nicht. Von dieser atemberaubenden Natur hatten auch wir gehört und wollen es uns alles aus der Nähe anschauen.

Valle de la Muerte

Valle de la Muerte

Auf geliehenen Fahrrädern geht es mit „Sandboards“ auf dem Rücken ins Tal des Todes (Valle de la Muerte). Wir wollen auf diesen selbstgebauten Boards, auf denen einfach nur eine Schlaufe für die Füße angebracht ist, die Sanddünen runtergleiten. Das funktioniert bei mir leider gar nicht, mag aber an der Konstruktion von Brett gelegen haben, denn ich habe gesehen: Heute boarded man auf richtigen Snowboards die Hänge runter. Trotzdem war dieser Besuch im Valle de la Muerte genial, denn diese riesigen Hänge, diese Farbschattierungen zwischen beige und rot sind einzigartig und du fühlst dich einsam in einer anderen Welt. Wir sind ganz allein dort – nur meine Freunde und die Natur und die flimmernde Hitze der Atacamawüste.

Valle de la Muerte: Mit dem Sandboard nach oben

Laguna Cejar

Im Hostal in San Pedro de Atacama hat uns dann ein Mitarbeiter gesagt, wir sollten doch unbedingt die Laguna Cejar besuchen. Eine mega salzige Lagune, neben zwei weiteren Lagunen, in der man schwimmen kann. Allerdings ist schwimmen eigentlich das falsche Wort, denn ehrlicherweise kannst du darin eigentlich nur liegen und sitzen – du treibst nämlich automatisch immer oben. Sehr verrückt ist das.

Luxus: Die Lagune nur für uns

Wir fahren also hin zu dieser Lagune, mit dieser wirren Beschreibung im Kopf und kamen an einen Ort, der aussieht wie ich mir das Paradies vorstelle: Knallgrünes Wasser, fast übernatürlich, so als hätte jemand zu viel Filter benutzt. Und wieder: Ein Ort nur für uns – als hätte er auf uns gewartet. Einfach unbeschreiblich. Im Wasser kommst du dir vor wie ein Fliegengewicht, denn du gehst wirklich nicht unter.

Laguna Cejar – wer findet unseren Bus?

Valle de la Luna

Natürlich wollen wir auch das „Valle de la Luna“ besuchen. Das Tal des Mondes. Am Nachmittag geht die Fahrt dahin los, denn wir wollen oben auf der Düne den Sonnenuntergang bewundern. Im Tal kommen wir uns vor, als hätte uns jemand auf den Mond gebeamt. Wirklich.

Düne im Valle de la Luna

Wir klettern auf die große Düne und überqueren das Tal. Unten bilden sich Salzkrusten, wodurch das Valle noch unwirklicher aussieht und am Ende der Düne halten wir an und warten bis die Sonne untergeht. Sobald die Sonne sich verabschiedet und der Mond schon am Himmel steht, taucht sich das ganze Tal in oranges und rosa Licht und wirkt dabei fast kitschig. Aber im Positiven. Also zauberhaft.

Ich wünsche mir, dass dieser Moment ewig hält, denn er verkörpert die ganze Schönheit dieser Erde. Als er vorbei ist, fahren wir zurück und freuen uns, dass wir ein paar der Momente einfrieren konnten: Auf der Kamera, im Kopf und im Herzen. Sehr besonders diesen Moment mit einer der besten Freundinnen zu teilen.

Valle de la Luna

San Pedro de Atacama heute: Ein Vergleich

Auch damals war San Pedro de Atacama schon ein Touristenziel. Und trotzdem kommt es mir so vor, als ob die Stadt damals nur einen Bruchteil der Größe von heute hatte. Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren wie eine Krake ausgebreitet und sich komplett verändert. Als ich im Februar 2016 durch die Straßen von San Pedro lief, waren viele davon zwar noch immer nicht befestigt. Aber in jedem Haus befindet sich eine Travel-Angency. Die Straßenschilder sind heute von „Coca Cola“ und dem Telefonanbieter „Movistar“ gesponsert und an allen Enden der Stadt werden rastlos neue Wege angelegt, Häuser gebaut… erweitert.. und angebaut. Zu den Touren fahren immer 20 Busse gleichzeitig bei der Laguna Cejar kommst du dir nicht mehr vor wie in der Natur, sondern eher wie im Freibad bei 30 Grad und im Valle de la Luna darf niemand mehr auf die große Düne steigen. Auch an die Steinformationen darf niemand mehr so nah herantanzen, wie ich es damals gemacht habe:

Tres Marias – Valle de la Luna

Ich wünschte die Stadt käme zwischendurch zur Ruhe. Aber das ist natürlich utopisch, denn der Tourismus ist es, der San Pedro de Atacama das Geld bringt. Und das Gute ist: Die Chilenen haben angefangen ihre Natur zu schätzen und zu schützen. Es gibt inzwischen Absperrungen, Wege und Mülleimer und Toiletten. Das finde ich super!

Veränderung – wenn man etwas erst viel später zu schätzen weiß

Wie so viele Dinge, habe ich diese Reise vor 10 Jahren erst viel später wirklich schätzen gelernt. Jede Reise, jeder Besuch, jede Sekunde in der Natur ist besonders und ich nehme mir einmal mehr vor alle künftigen Reisen zu schätzen, denn du kommst nie mehr an denselben Ort zurück. Alles verändert sich. Jeden Tag.

Klar: Nicht jede Veränderung ist schlecht – besonders schön ist es aber jeden Ort so schätzen zu können, wie er sich einem in genau dem Moment präsentiert. So hatten wir diesmal, 2016 zum Beispiel das Glück San Pedro und seine Naturwunder im Regen zu sehen. Mehr dazu bald. So sah es diesmal allerdings nicht aus:

Salar de Atacama

P.S. Manch ein Chilene, der sich gut in der Wüste auskennt, lacht über die ganzen Touristen, die nach San Pedro reisen, um Lagunen und andere Naturwunder zu bestaunen. Er sagt: All das findet man auch zwischen Iquique und Arica im Hochland – nur ganz ohne Touribusse und Menschen. Mal sehen, ob er uns diese Orte beim nächsten Chilebesuch mal zeigt.

Fotos: Miriam Heins und Athene Pi Permantier

Kultur: Auf der Suche nach gutem Kaffee in Chile

Ich hätte gern einen Kaffee.“ – „Mit Milch und Zucker?“ – „Nein, nur mit Milch. Danke!“ Als wäre es gestern gewesen erinnere ich mich an den Moment, als ich einen Styroporbecher mit Nescafé und Milch in die Hand gedrückt bekomme. Das war vor etwa 10 Jahren. Inzwischen hat sich einiges in Chile geändert. Kommt mit auf die Reise. 

Ich stehe in einem kleinen Café in der Nähe der Redaktion der Tageszeitung „La Tercera“ in Santiago, wo ich damals ein Praktikum angefangen habe. Vor dem Start wollte ich mir ein wenig „Mut“ antrinken. Normalerweise hilft da bei mir nichts besser als Kaffee. Aber Nescafé ist für mich eigentlich kein Kaffee, also versuche ich das Gesöff möglichst schnell herunterzubekommen, atme einmal tief aus und starte mein Praktikum. In meinem Kopf rattert es: Warum bin ich in Lateinamerika und bekomme Pulverkaffee? Strange.

Warum lieben die Chilenen Nescafé?

Seit ich Chile als Kaffee-trinkende Person kenne und schätze, spielt Nescafé eine unfassbar große Rolle.

Offenbar auch deshalb, weil Nestlé in den siebziger Jahren eine große Kampagne gestartet hat – von wegen „Heeeyy dieser Kaffee ist einfach zuzubereiten… und überhaupt: bisschen Zucker dran.. und Milch – oder Milchpulver und zack. Getränk fertig. Niemand brauch mehr eine Kaffeemaschine – praktisch.“ Jau und ekelig. Das wurde mir zumindest zum Thema erzählt.

Cafés con piernas

Witzigerweise stammt eine sehr ungewöhnliche, sexistische chilenische Kaffeeidee auch aus den siebziger Jahren: Die „Cafés con Piernas“ – also Cafés mit Beinen. Die ersten davon hießen „Café Haiti“ und „Café Caribe.“ Stellt euch vor, ihr kommt in einen solchen Laden und das erste was euch auffällt sind die Frauen, die da bedienen, denn sie tragen alle Minikleider. (In den ganz krassen Läden wohl sogar nur Bikinis oder noch weniger, aber da bin ich noch nie reingegangen.) Die Tresen schlängeln sich durch das Lokal und sind so gebaut, dass alle Gäste die Beine der Bedienungen bewundern können: Die Tresen sind sozusagen unten rum frei. – Damit auch nichts vom Bein versteckt bleibt, stehen die Frauen etwas höher als alle, die einen Kaffee bestellen und gaffen.

Als ich diese Cafés zum ersten Mal gestehen hab, ist mir echt der Mund offen stehengeblieben. Klar: Hier bedienen nur Frauen und sie werden auf ihre Beine reduziert. Viele Chilenen kommen hierher, um in der Mittagspause zu gaffen und einen „richtigen“ Kaffee zu genießen. Denn das ist der Clou: In den „Cafés con Piernas“ gab es schon immer echten Bohnenkaffee. Verrückt, welche Wege der Kaffee in Chile gehen muss, um gekauft zu werden. Wer sich in Santiago nicht so gut auskennt: Diese Cafés gibt es überall verstreut in der Innenstadt. Ihr erkennt sie einfach an den offenen Tresen, den vielen Spiegeln und dem Minikleid-Dresscode der Bediensteten. Bescheuert. Und skurril. Aber ja: Der Kaffee ist ganz ok.

Wie findest du guten Espresso mit Milchschaum?

Das ist ein besonders großer Cortado

Lange – bis etwa 2010 war es für mich die sicherste Variante zu fragen: „Hay café cortado?“ Das ist ein kleiner Espresso mit ein wenig aufgeschäumter Milch. Keine italienische Barista-Kunst, aber da weisst du was du hast. In Santiago gibt es seit jeher Cafés, die Cortado anbieten, aber in den kleineren Städten musst du schon genauer suchen. – Am besten immer kurz die Kaffeemaschinen-Lage checken. Trotzdem hatte ich bei längeren Chileaufenthalten immer großes Heimweh nach gutem Kaffee: Nach einer großen Tasse mit viel Milchschaum und Espresso, der kein bisschen bitter ist.

Wie es die Ironie der Geschichte und die Liebe der Chilenen zu großen Marken so will, hat es ein anderer großer Platzhirsch schließlich geschafft, dass „gemütlich Kaffee trinken“ oder auch mal im Café arbeiten oder lernen IN geworden ist: Welcome to „Starbucks“. Große Sessel, fancy Getränke mit viel Zucker und so teuer, dass ich das Zeug in Chile fast als Luxusgut bezeichnen würde. 2003 ist die Kette nach Chile gekommen und inzwischen gibt es in Santiago an jeder Ecke eine Filiale. Vor allem in Providencia kannst du manchmal von einer Starbucks-Filiale zur nächsten spucken. Und die Dinger sind immer voll! Wahnsinn! Ich weiss nicht, ob es wirklich einen kausalen Zusammenhang zwischen der steigenden Nachfrage nach gemütlichen Kaffees und der Ausbreitung von Starbucks gibt (das könnte ich mal langfristig erforschen) – einen zeitlichen gibt es aber auf jeden Fall.

Der neue Espresso-Boom

Cafe

Ich war 2010 in Chile, 2013 und vor kurzem wieder, also 2016. Mit jedem Besuch fallen mir in den letzten Jahren in Santiago neue, kleine, gemütliche Cafés auf: Im Viertel Lastarria zum Beispiel ist es kein Problem einen Latte nach Barista-Art zu bekommen – auf Wunsch mit laktosefreier Milch. Im Barrio Italia reiht sich eine Galerie mit Shops und Cafés an die nächste.

Auch in Valparaiso gibt es auf den berühmten Cerros Alegre und Concepción lauter kleine Cafés mit italienischer Kaffeemaschine und Wahnsinnsausblick über die Bucht. Das sind Cafés mit stylishen alten, zusammengewürfelten Möbeln in renovierten alten Gebäuden. – Oft mit Holzboden. Diese Häuser erzählen die Geschichte von Valparaiso und bei einem Kaffee stelle ich mir die Geschichte des Raums vor, in dem ich gerade sitze: War es mal ein Schlafzimmer? Oder eine Küche? Oder einfach die Galerie, wo immer die Wäsche getrocknet worden ist? Das sind ganz aufregende Orte.

Kaffee

Ich wünsche mir, dass dieser Trend zu richtigem, italienischem Barista-Kaffee keine kurze Welle ist. Ich wünsche mir, dass es so weitergeht und dass die 10 verschiedenen Größen Nescafé im Supermarkt in Zukunft Kaffeebohnen in unterschiedlichen Röstungen weichen. Und dass es so auch in den Haushalten kleine Espressokocher gibt.

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Kaffee- und Kuchenparadies Valparaiso

P.S. Ein Geständnis noch: Es ist – wie es immer ist mit Dingen, die dich an eine gute Zeit erinnern. Bis heute trinke ich nach jeder Ankunft in Santiago einen Nescafé bei meiner Gastfamilie. Denn der Geschmack erinnert mich an das Santiago, wie ich es in der Schul- und Unizeit kennengelernt habe. Und er zeigt so viel über die chilenische Kultur.

Geschwister: Vermissen – Wertschätzen – Wiedersehen

Nach ein paar Stunden auf der Fähre sitze ich im Hafen von Picton in den Bus, der einen zum Terminal bringt. In Neuseeland – am anderen Ende der Welt treffe ich meinen kleinen Bruder wieder – nach 5 Monaten. Und das ist wirklich ein tolles Gefühl: Geschwisterliebe. 

Ein seltsames, unbekanntes Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. Ich bin aufgeregt, ich fühle mich als stünde ich hinter dem Vorhang auf einer großen Bühne und müsste gleich das Stück meines Lebens präsentieren. Dabei werde ich einfach nur meinen Bruder wieder in die Arme nehmen. Endlich. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie sich das anfühlen wird. Wie er aussehen wird. Ob er gewachsen ist? Quatsch – er ist 19! Da wächst man nicht mehr.

Ist er wohl gewachsen? Wie hat er sich verändert?

Es ist eigentlich eine kurze Fahrt durch den Hafen von Picton. Auf der Fähre hatte ich genügend Zeit mich auf diesen Moment zu freuen. Und doch ist alles anders als gedacht. Weit weg sind die Momente als mein Bruder und ich uns vorher über die Reise gestritten haben: Ich wollte einen genauen Plan, wo wir uns treffen würden und wie lange. Er war gefangen im „Endlich-frei-sein-und-machen-was-man-will“. – Unfähig Pläne zu machen, die über morgen hinaus gehen. An übermorgen oder in zwei Monaten nicht zu denken. Nun fährt der Bus auf den Kompromiss zu, den wir dann doch noch zustande bekommen haben: Treffen in Picton, ein paar Tage in Kaikoura und dann noch ein paar Tage in Wellington.

Jeder Streit ist vergessen

Auf einmal ist es, als hätte es den Streit nie gegeben. Ich male mir aus, was er zu erzählen haben wird. Ob er erwachsen geworden ist. Obwohl – das kann ich mir nicht vorstellen. Aber selbstständig doch bestimmt? Und älter? Anders? Ich bin zehn Jahre älter als Ismael. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich ihn als „große“ Schwester im Krankenhaus auf dem Arm gehalten habe. Und nun ist es als würde ich ihn ein zweites Mal geschenkt bekommen. Natürlich ist da wieder der Kloß im Hals. Aber ich glaube er meint es diesmal gut. – Voller Vorfreude. Ich recke mich und suche den Gehweg vor dem Fährgebäude ab. Steht er da? Gibt es wohl seine Grübchen noch? Ob er den Wirbel im Haar, oben an der Stirn noch hat? Obwohl – hat er den vielleicht schon länger nicht mehr? Keine Ahnung. Das muss ich prüfen.

Geschwisterliebe
Wieder vereint

Der Bus wird langsamer, tastet sich an den Gehweg heran und auf einmal sehe ich ihn: Ismael. Mit grauer Kappe auf. Vor ihm ein riesiger grauer Rucksack. Da steht er und wartet, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Mir kommen die Tränen. Ich wollte doch nicht weinen. Aber erst jetzt wird mir klar wie sehr ich ihn vermisst habe. Und wie gut es ist, dass wir uns genau jetzt wiedersehen. Am anderen Ende der Welt. Mitten in der Passion, die wir als Geschwister teilen: Reisen, Orte erkunden, sein.

Geschwister

Ein Moment von purem Glück

Es gibt wenige Momente im Leben, die ich als pur, rein und komplett voller Glück beschreiben würde. Aber das ist definitiv einer davon. Er lächelt als sich unsere Blicke kreuzen. Wie immer. Das muss so. Und da ist noch etwas: Er sieht erleichtert aus. Sind wir es beide? Ist es am Ende noch viel schöner und leichter, als wir es uns vorstellen konnten? Ich glaube ja! Wir fallen uns in die Arme. Die Zeit bleibt für einen kurzen Augenblick stehen. Zumindest denken wir das. Für immer wissen wir was wir aneinander haben. – Als Geschwister. Und ich werde noch in dieser einen kurzen Woche lernen, dass mein Bruder viel mehr Facetten hat, als ich sie mir vorher hätte erträumen können. Er redet auf einmal wie ein Wasserfall, fasst Gedanken in Worte, spricht über das was er in Monaten mit wenig Geld gelernt hat und zeigt was reisen aus einem Menschen herausholen kann: Offenheit, Bodenständigkeit, Naturverbundenheit, Interesse, Ruhe, Entspannung, Dankbarkeit, Wertschätzung, Liebe, Passion und alles wofür die Worte fehlen.

Geschwister
Geschwisterliebe

Ich schaue ihn an, als hätte ich ihn gerade erst geschenkt bekommen und bin dankbar: Das ist Liebe innerhalb der Familie! Sie hat mir eine ganz neue Facette gezeigt: Tief und ehrlich.

 

Fotos: Raphael Pi Permantier

To Travel – die Reise-Wunschliste

Die Sache mit dem Fernweh ist ja die: Hast du es einmal kommt es immer wieder. Es ist wie ein Fass ohne Boden. Es ist nie genug. Du sitzt im Zimmer am Fenster und zack: Es beherrscht wieder den Kopf. In so einem Fall analysiere ich gern das Haus gegenüber, bis alles vor meinen Augen verschwimmt und träume mich weg. Dahin, wo ich noch hin muss. Das sind sehr viele Orte!

Obwohl ich immer mehr Länder kennengelernt habe. Obwohl ich an den verschiedensten Orten geflasht stehen und staunen durfte – es reicht nicht. Es ist wirklich wie eine Droge. Oder wie Schokolade. Oder wie Mangosmoothie. Da geht immer noch mehr. Das Problem ist ja auch: Auf jeder Reise kommt wieder jemand um die Ecke und schwärmt dir mit glänzenden Augen von noch mehr neuen, spannenden Orten vor. Deshalb jetzt und hier: Ein kleiner Auszug aus meiner Reiseliste: To Travel! Wo müsst ihr noch hin?

Costa Rica

Nach Costa Rica möchte ich seit Jahren. Leider ist immer wieder etwas dazwischen gekommen. Jetzt ist der Plan, dass es in einem Jahr soweit sein soll. Ich meine: Wie genial muss es sein mal eben so an den Pazifik zu fahren und dann mal eben rüber – eine Runde im karibischen Meer schwimmen. Hinzu kommt, dass ich noch nie in Mittelamerika war. Ich möchte mir eine der längsten linksbrechenden Wellen der Welt aus der Nähe anschauen und in Pavones halten und sein. Es ist auf jeden Fall die nächste große Reise! – Nicht zuletzt, weil ich dann um die Ecke von Panama sein werde. Und wir alle wissen: Oh, wie schön ist Panama!

Hawaii

Welcher Surfer würde nicht gerne einmal nach Hawaii: In O’ahu den besten Surfern zugucken, wie sie riesige Wellen nehmen? Über das staunen, was ich mich niemals trauen würde? Auf den Spuren von Bethany Hamilton reisen – von Strand zu Strand. Ein paar Wochen nichts als rein ins Wasser, paddeln, raus aus dem Wasser, liegen genießen – mit Salz im Haar. Schade, dass Hawaii so weit weg ist! Aber ich werde kommen.

Kolumbien

Kolumbien

Ein Meer aus grün. Kolumbien muss ich unbedingt noch kennenlernen. Natürlich würde ich da gern surfen. Und ich ich freue mich auf übertrieben viel in meiner Lieblingsfarbe grün. Aber es gibt noch einen anderen Grund: Eine meiner besten Freundinnen wohnt dort und sie hat mir schon oft von dem Land vorgeschwärmt.

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Südafrika

Mein Lieblingsort auf der Welt ist Südafrika. Das Licht dort ist einzigartig und besonders.“ Das hat mir eine Stewardess im Zug erzählt, als ich auf dem Weg zum Flieger nach Bali war. Südafrika hatte ich vorher so halb auf dem Schirm. Aber seitdem sie mir davon vorgeschwärmt hat, bin ich sicher: Da muss ich hin! Ich will mich in dieses Licht stellen, die Menschen kennenlernen und ein paar Wellen anpaddeln. Hoffentlich bald.

Sri Lanka

Ich muss dahin! Unbedingt! Zu den Wellen und den Tempeln und der unfassbar schönen Natur. Ja, auch das wird ein Surfurlaub, aber er wird garniert mit Gemütlichkeit mitten im Grünen, mit Geschichte, mit Fahrten mit der Eisenbahn und – ich bin sicher – mit vielen Überraschungen.

Liebe auf den zweiten Blick: Neuseeland

Komm nach Neuseeland,“ sagten sie. „Da ist die Natur unfassbar schön,“ sagten sie. Ich glaube über kein anderes Land hatte ich vor meinem Besuch so viel gehört und gesehen. Deshalb hatte ich Neuseeland eigentlich gar nicht auf meinem Zettel. Ich wollte eigentlich wieder nach Lateinamerika – doch dann kam mein Bruder und hat alles geändert.

Ihr müsst wissen: Mein Bruder wollte schon immer nach Neuseeland. – Wahrscheinlich seit er den Namen aussprechen kann, mit Sicherheit aber seit er die „Herr der Ringe“ Filme gesehen hatte. Es war klar: Nach dem Abi geht’s mit „Work and travel“ nach Neuseeland. Und dann als die Reise immer konkreter wurde und näher rückte, lag er mir in den Ohren: Ich müsse ihn unbedingt besuchen. Das würde mir sicher auch gefallen. Und am Ende habe ich wirklich gebucht. – Ich dachte mir: Wenn nicht jetzt wann dann.

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Unfassbar viele süße Hügel in Neuseeland

Drei Wochen Zeit – so viel zu sehen

Drei Wochen habe ich in Neuseeland verbracht: Erst in Auckland, dann ging es weiter nach Raglan, Rotorua und Taupo und schließlich für einen kurzen Besuch auf die Südinsel nach Kaikoura um die Reise in Wellington zu beenden. Jeder, der Bilder aus Neuseeland kennt, weiss: Die Natur dort ist unbeschreiblich. Diese Vielfalt ist fantastisch: Vulkane, Wellen, die einen zum surfen einladen, Geysire, Wasserfälle, Seen, Flüsse. Wahnsinn.

Neuseeland
Kaikoura

Jeder hat dieses beeindruckende Foto

Wir fuhren mit einem alten gemieteten Auto durch die Natur und waren beeindruckt. Dennoch dachte ich immer wieder: Ah guck – da ist ja der Vulkan, den ich von dem Foto kenne. Und hier die Hügellandschaft, die aussieht wie im Land der Hobbits. Vielleicht ist es, weil Neuseeland Kulisse für so viele Bildbände und Filme war. Ich hatte ständig das Gefühl: Das kenne ich schon! Ich hatte immer wieder das Gefühl Neuseeland mit Chile vergleichen zu müssen: Beide Länder haben Vulkane und überhaupt eine unfassbare Vielfalt in der Natur. Beide Länder sind sehr außergewöhnlich und doch so unterschiedlich. Und das beinhaltet auch, dass ich immer wieder dachte: Hier kommt jeder lang, der einmal in Neuseeland ist. Jeder hat dieses Foto.

Neuseeland
Irgendwo auf einer Landstraße

Machen wir uns nichts vor: Im Grunde ist es auch so. Die meisten von uns reisefanatischen Menschen kommen höchstens einmal im Leben nach Neuseeland. Es ist weit, der Flug ist teuer und auch vor Ort ist es nicht günstig. Sogar für eine Flasche Bier zahlst du gerne mal 8 NZ Dollar. So ist es eben. Das gehört dazu. Andauernd laufen deutsche Touristen in Funktionskleidung an dir vorbei und machen die gleichen Fotos wie du. Neuseeland ist top Reiseziel für viele Menschen und ich gebe zu: Das hat mich abgeschreckt. Vor allem während der Reise. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl: Neuseeland – das machste jetzt einmal. Aber mit dem einen Mal wird es das ja wohl dann auch gewesen sein.

Nein.

Ich habe mich geirrt.

Manchmal braucht die Liebe Zeit

Die Reise ist jetzt ein Jahr her. Und seit ein paar Wochen hat sich mein Blick auf die Reise nach Neuseeland noch einmal geändert. Mancheiner wird vielleicht denken, dass mein Blick auf die Erfahrung sich einfach verklärt hat durch die Zeit, die vergangen ist. Das mag ein Teil des Ganzen sein, aber ich denke auch: Neuseeland brauchte den Abstand. Und ich brauchte den Abstand von Neuseeland: Das Reflektieren zum Beispiel. Und die zwischenzeitlichen Reisen in andere Länder. Ich habe die Zeit gebraucht, um die Liebe für dieses besondere Land wachsen zu lassen.

Aber was macht sie denn nun aus? Diese neue Liebe?

Kaikoura
Kaikoura

Wenn ich jetzt an Neuseeland denke, bekomme ich ein warmes Gefühl im Bauch. Ich sehe den endlosen Strand von Raglan vor mir, ich spüre den Wind, der eigentlich immer in Wellington durch die Straßen pfeift. Und ich sehe den Zug, der einmal am Vormittag durch Kaikoura, die Küste entlang in Richtung Picton fährt. – Den Zug, dem wir immer wieder beim surfen zugewunken haben, während Surflehrer Doug uns von seinem Traum erzählt hat, dass er genau da an diesem Steinstrand ein Surfcamp eröffnen will. Hoffentlich macht er das auch. Ich werde wiederkommen und das überprüfen müssen.

Geniales Land und tolle Menschen

Es ist die Mischung aus Land und Menschen, die meine Liebe zu Neuseeland auch aus der Distanz weiter wachsen lässt. Denn eigentlich ist Neuseeland viel zu schade, um dort nur 3 Wochen durchzureisen und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Egal mit wem ich mich dort unterhalten habe: Ich hatte immer das Gefühl, dass Neuseeland eine große Lebensqualität hat. Viele Menschen wirkten auf mich wirklich zufrieden und gelassen. Etwas was ich mir immer wieder für mein Umfeld und mich wünsche. Außerdem konnten wir sehen und spüren, wie sehr viele die Natur schätzen und im Einklang mit ihr leben.

Bewunderns – und beneidenswert. Das ist es wohl, warum ich heute das Gefühl habe: Newzealand has got it all. Und ja, ich komme wieder. Ganz bestimmt.

Bilder: Raphael Pi Permantier

Lieblingsorte Neuseeland: