Teil 1 – Roadtrip Kalifornien: Alleine reisen als Frau

Vom Fernweh gepackt, buche ich eine Reise nach Kalifornien. Hinflug nach San Francisco und zurück geht es von Los Angeles. Ich möchte nicht mehr warten bis irgendwer Zeit hat. Reisen kann ich. Warum also nicht mal ganz alleine? Ich will und gleichzeitig habe ich eine Scheißangst. Ein Klick auf „Buchung abschließen“ und während aus der fixen Idee ein Plan wird, fängt mein Herz an zu klopfen. Ich miete ein Auto und mache einen Roadtrip. Und – Spoiler – es war der Hammer!!! Hier gibt es meine Tipps für alle, die auch mit dem Gedanken spielen. 

Von San Francisco nach Santa Cruz

Soll ich? Kann ich? Will ich? Vor der Reise schlagen die Gedanken Purzelbäume. Und tausend und ein Zweifel macht sich breit. Die Angst krabbelt den Nacken hoch. „Da wollen wir doch mal sehen, ob ich alleine reisen kann“, denke ich und steige ins Flugzeug. Meine Knie zittern wie damals als ich in eine neue Klasse kam. Unbekanntes Terrain. Dabei bin ich schon so oft geflogen. Nur noch nie so. Auf eine Reise ins Ungewisse. Allein.

Wie unpraktisch, dass ich in den letzten Jahren Flugangst bekommen habe. Seitdem bin ich nicht mehr alleine geflogen.

Als das Flugzeug in Richtung Himmel rast, pocht mein Herz so laut, dass ich denke: Das muss jeder hören um mich herum. Der Boden vor mir hebt sich. Es geht los. Meine Hände sind nass und kalt – voller Schweiß. Ich atme langsam ein und aus. Und versuche mir einzureden, dass alles gut wird. Dass fliegen tausend mal sicherer ist als Auto fahren. Dass alle anderen es auch hinbekommen. Und muss gleichzeitig lachen. Alle anderen… Was macht das schon? Es bedeutet nichts. Meine Angst gehört zu mir.

Die Anschnallzeichen gehen aus und auf einmal macht sich Vorfreude breit. Auf geht’s: Rotwein, ein paar Liebesfilme. Und das Abenteuer geht los. Allein. Mit mir.

Mission Dolores Park

Ans Meer mit dem Mietwagen

Mein Lyft-Fahrer setzt mich vor dem Mietwagen-Verleih ab und ich verabschiede mich betont cool. „Fake it until you make it,“ hatte mir meine Freundin zum Abschied mit auf den Weg gegeben.

Wird schon. Muss schon. Geht schon. Wird schon.

Bin ich denn schon soweit?

Das Datum der Mietwagen-Buchung schreit: Ja! Das Auto ist fest gebucht und wartet. Mir ist kotzübel als ich alleine ins dunkle Parkhaus geschickt werde, um das Auto abzuholen.

Ich drücke auf den Zündschlüssel und warte. Und ein weißer Toyota Corolla leuchtet auf und sagt: „Hi! Ich bins. Dein Begleiter für die kommende Woche.“ „Tach – du bist aber groß, dude.“ Denke ich und hiefe meinen Koffer in die Limousine.

Ich werfe das Navi auf meinem Handy an. Meine Beine zittern, als ich losfahre. Im gemütlichen Schneckentempo verlasse ich San Francisco. Und mache mich mit dem Auto vertraut. Hügel rauf. Hügel runter. Immer weiter in Richtung Meer. Die Stadt kommt mir unendlich vor. Groß und unbekannt. Viele Locals überholen mich. Ich habe vor allem ein Ziel: Raus aus der Stadt und keinen Unfall bauen. Für mehr habe ich in diesem Moment keinen Kopf.

Nach einer Stunde wird es leerer auf den Straßen. Und entspannter. Vor mir verteilt sich Dunst und Nebel. Und auf einmal sehe ich vor mir das Meer.

Ich mache eine kleine Pause auf einem Parkplatz, schaue den Möwen zu und auf einmal ist die Angst wie weggeblasen.

Das ist es! Deshalb bin ich hier. Salz in der Luft, weite Sicht, raue Wellen und Freiheit.

Ich nehme den berühmten Highway 1 nach Santa Cruz und werde auf der Reise am Meer bleiben solange es geht. Denn weiter in Richtung Süden ist die Küstenstraße leider gesperrt: Bauarbeiten.

Kalifornien

Strand Santa Cruz Kalifornien
Santa Cruz

Unterkunft in Santa Cruz

Ich wohne in Santa Cruz bei Familie Twohig, die in ihrer Villa ein Zimmer bei Airbnb vermieten. Im großen Haus wohnen Großmütter, Eltern und Sohn Tio. Die Twohigs sind selber viel unterwegs und durch ein Jahr durch Europa gereist. Sie teilen meine Faszination fürs „Unterwegs sein“ und werden in diesen Ferien selber noch mit dem Auto einen Roadtrip durch die USA machen.

Surfcity Santa Cruz

Santa Cruz ist eine Stadt, die sich wie ein Dorf anfühlt. Gemütlich und entspannt. Es fühlt sich an, als sich ob der Surf-Vibe über die Stadt gelegt hat, wie eine gemütliche Decke. Stress muss leider draussen bleiben. Und Hektik auch.

Ich liebe diese Stadt seit ich 2014 schon einmal hier war. Und doch kommt sie mir verändert und neu vor, als ich durch die Straßen laufe. Was ist anders? Santa Cruz oder ich?

Meine Wahrnehmung ist scharf und genau. Ich sehe jede kleine Blume am Straßenrand. Immer wieder halte ich an und mache Fotos auf meinen langen Spaziergängen in die Stadt.

Santa Cruz Beach Broadwalk
Beach Boardwalk

Mein Weg führt mich über eine alte Eisenbahnbrücke bis hin zur Kirmes: Den Santa Cruz Beach Boardwalk. Amerikanischer Strand-Kitsch, wie ich ihn liebe. An jeder Ecke wird Zuckerwatte verkauft, Twinkies, Hot Dogs und Pommes. Es gibt ein Kettenkarussel, eine Schiffsschaukel und eine alte Holzachterbahn.

In Kalifornien beginnen gerade die Sommerferien. Viele Familien lassen sich auf dem Gelände der Kirmes treiben und feiern die Ferien am Strand. Obwohl es nur 20 Grad warm ist, rennen die Kinder ins Meer. Ich bewundere sie. Und freue mich, dass ich Zeit habe, ihnen zuzusehen.

Kalifornien California Santa Cruz

Kalifornien Roadtrip
Santa Cruz Beach Boardwalk

Pause für den Stress im Kopf

Im Alltag habe ich oft Stress im Kopf. Und Druck und Hektik. Ich denke ich müsste mal eben dies und jenes. Ich müsste und sollte.

Und all das ist auf einmal weg. Vor der Reise hab ich mich gefragt: Wie wird es sich wohl anfühlen alleine am Strand zu sitzen. Den Kopf in den Wind zu halten. Oder rumzulaufen. Und alles alleine entscheiden zu müssen. Und als der Moment da ist, fühlt es sich richtig und leicht an. Unerwartet perfekt.

Stundenlang laufe ich umher und merke auf einmal, dass es schon 14 Uhr ist. Ich habe bisher nicht gefrühstückt – und es nicht vermisst. Ich überlege woher ich wohl um diese Zeit noch Frühstück bekomme und stehe auf einmal an einem mexikanisches Restaurant. Tacos! Das ist es. Wozu frühstücken, wenn ich gleich Tacos essen kann?

Selbstgemachte grüne Sauce mit Chili tropft herunter und ich frage mich, wann ich zuletzt so gut und entspannt gegessen habe. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein. Welch eine Geschmacksexplosion in meinem Mund. Wie habe ich das vermisst!

Im nächsten Teil nehme ich euch mit nach Cambria und Pismo Beach. Und im dritten Teil geht es nach Santa Monica.

Santa Cruz Beach

Santa Cruz Beach Broadwalk

Streetart San Francisco – Spaziergang durch Mission

Mission: Der Stadtteil in San Francisco für alle, die es bunt und lateinamerikanisch mögen. Ich war von der ersten Sekunde an in dieses Viertel verliebt. Stundenlang bin ich durch die Straßen gelaufen und habe Graffitis gesucht – und gefunden. Hier zeige ich euch meine liebsten Ecken in Mission.

Große Städte erkunde ich am liebsten zu Fuß. Schritt für Schritt. Viertel für Viertel. Und in den Ecken, wo es mir besonders gut gefällt, setze ich mich hin und genieße den Ort. So auch auf meiner Reise durch Kalifornien. Der erste Stopp vor meinem Roadtrip war San Francisco. Und den Mission District habe ich ab der ersten Sekunde geliebt. – Aus ganzem Herzen. Auf der Suche nach einer SIM-Karte lief ich die Valencia Street runter und es säuselte immer wieder in meinen Ohren. Alle um mich herum sprachen mexikanisches Spanisch. Als großer Mexiko-Fan war es mir unmöglich wegzuhören.

In jedem Shop steht es dir frei, Spanisch oder Englisch zu sprechen. Oder beides gemischt. Kein Problem. Ich biege auf die 24th Street: Das Herzstück des Latino-Viertels. Bei jedem Taco-Laden läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Es riecht so unendlich gut. Sogar mexikanische Bäckereien gibt es hier. Wer einmal süße Streuselbrötchen in Mexiko probiert hat, versteht mein Glücksgefühl, als ich sie in der Auslage entdecke. Sie schmecken einfach himmlisch.

Mission San Francisco

Streetart in Mission

Ganze Gassen voller Bilder und Graffitis warten in Mission auf euch. Ganze Wände leuchten euch in bunten Farben entgegen: Kunst, die ihr im vorbeigehen bewundern könnt. Wunderschöne Murals, die sich mit den unterschiedlichsten Themen befassen: mit der Kunstszene in Mission zum Beispiel. Viele Bilder sind aber auch große politische Statements. Viele Kunstwerke spiegeln die vielen Schicksale der Einwanderer in San Francisco wider. Menschen, die in die USA gekommen sind. Auf der Suche nach Hoffnung und einer besseren Zukunft. Viele von ihnen haben ihre Familien zurückgelassen, um Geld zu verdienen. Wer sich Zeit nimmt, kann bei einem Spaziergang durch Mission viel staunen und lernen.

 

San Francisco Street Art Mission

Balmy Alley

Zwischen 24th Street, 25th Street und Treat Street und Harrison Street

In dieser kleinen Gasse reiht sich ein Kunstwerk neben das andere. Gelb, gün, orange, lila – leuchtend und grell: Alle erdenklichen Farben reihen sich aneinander. Immer wieder bleibe ich stehen um jedem einzelnen Werk Aufmerksamkeit zu schenken. Denn jedes erzählt eine ganz eigene Geschichte. Die ersten Bilder in dieser Straße sind in den 80ern gemalt worden. – Schon damals haben sich viele der Kunstwerke mit Menschenrechten und Politik beschäftigt. Heute geht es bei vielen der Werke aber auch um den Wandel San Franciscos: Teure Mieten, Gentrifizierung und die Probleme der Bewohner das Leben in ihrer eigenen Stadt bezahlen zu können.

 

Manche Wandbilder erzählen so eine starke Geschichte, dass mir bei ihrem Anblick die Tränen kommen. Ja, ich bin nah am Wasser gebaut. Vor allem die Geschichten der getrennten Paare gehen mir nah. Geschichten über Menschen, die nicht wissen, ob sie sich jemals wiedersehen. Weil einer von beiden versucht, Geld in den USA zu verdienen.

Andere Gemälde sind wiederum so hoffnungsvoll und farbenfroh, dass ich minutenlang davor stehen bleibe, um mich mit der Freude, die sie ausstrahlen aufzuladen.

 

Clarion Alley

Zwischen der 17th und 18th Street und Mission Street und Valencia Street.

Auch in dieser Gasse sind alle Wände voll mit bunten Kunstwerken. Immer wieder trifft man Künstler, die ihr neustes Werk an die Wand bringen. Die unterschiedlichsten Kunst-Stile reihen sich aneinander. Mein Lieblingsbild: Einhörner, die sich küssen und die Demokratie bejubeln. Natürlich unter Regenbogen Farben.

 

Mission San Francisco Mural

Mission San Francisco

Weitere Kunstwerke:

Carnaval Mural – Ecke 24th Street und South Van Ness Ave. Dieses Bild ist auch bekannt als „Golden Dreams of the Mission.“

Women’s Building Maestra Peace Mural – 18th Street und San Francisco.

Ein Kunstwerk, um die Frauen in aller Welt zu würdigen.

Mural Mission Kalifornien

Second Hand Shops

In Mission kannst du endlos Thrift shoppen gehen. Und es macht so viel Spaß! Warum immer neu kaufen?

Richtig günstig ist es im „The Salvation Army Family Store“ und im „Community Thrift“. Das sind eher klassische Second Hand Läden, in denen du viel suchen musst. Wenn du etwas findest, ist es dann aber sofort ein richtiger Schnapper.

Stylish ist der „Buffalo Exchange“ in der Valencia Street. Hier sind die Klamotten ausgewählt und wunderbar sortiert. Dafür aber natürlich etwas teurer. Ich habe bei Buffalo bisher bei jedem meiner San Francisco Besuche etwas gefunden. „Mission Thrift“ ist ähnlich: Hier sind die Kleider sogar nach Farben sortiert. Das sieht echt klasse aus!

Schöne Cafés in Mission

Auf der 24th gibt es unendlich viele Cafés und Restaurants. Leider hatte ich nicht genügend Zeit, in jedem einen Kaffee zu probieren. Aber zwei Cafés möchte ich euch besonders ans Herz legen. Beide befinden sich in dieser Straße.

Philz Coffee

In San Francisco ist Philz ein großer Name: Hier wird der sogenannte Drip Coffee ganz langsam zubereitet. Du suchst dir die passende Kaffeebohne aus und dann wartest du bis der Kaffee für dich durchgelaufen ist. Inzwischen gibt es in Kalifornien mehrere Läden von Philz Coffee. Der erste hat aber im Jahr 2003 in San Francisco – im Mission District. Die Idee dahinter: Trinke den Kaffee, der besonders gut zu dir passt. Also die perfekte Bohne. Obwohl du hier keinen Caffe Latte bekommst, fand ich Philz Coffee außerordentlich gut.

San Francisco Cafe

Haus Coffee

Dieses Café ist der feuchte Traum für alle, die unabhängig am Laptop arbeiten. Ein Café voller MacBook Pros. Eins neben dem anderen. Und hinter den Computern sitzen Menschen, die in die Tasten hauen und vor sich hin denken. Sie sehen wirklich alle sehr produktiv aus. Ich war alleine unterwegs und habe mich an einen der Tische am Fenster gesetzt. Ein Einzeltisch mit Blick auf die Straßen. Stundenlang habe ich hier gesessen und einen Barista-Café nach dem anderen genossen. Günstig ist dieses Café nicht, aber wirklich angenehm. Und lecker.

San Francisco Mission

Mission: Gefühl von einer Reise nach Lateinamerika

Allein die frische Brise in San Francisco erinnert mich daran, dass ich in Kalifornien bin. Und nicht in Mexiko. Und natürlich die hübschen Häuser im typischen San Francisco-Style.

Aber, sobald ich die Augen schließe und nur den Menschen zuhöre, reise ich kurz in mein geliebtes Mexiko. Im Taco-Laden bestelle ich mir alles mit der extra scharfen Sauce. Und während mir deshalb die Tränen kommen, fühle ich die Wärme, die in meinem Bauch aufsteigt. Für mich ist Mission das schönste Viertel in San Francisco. Und das liegt vor allem an den Menschen, die dort leben.

Hassliebe USA: Zahnpastalächeln, Leichtigkeit & Zuckerwatte

Wie findest du die USA? Schwierige Frage, finde ich. Immerhin geht es hier um 50 Bundesstaaten und viele Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen. Es gibt Teile von mir, die haben sich geschworen nie wieder hierher zu kommen. Und nun sitze ich in einem Airbnb in Santa Cruz. Und habe wieder dieses wundervolle Herzklopfen. Es ist eben nicht so einfach. Ich versuche euch dieses Gefühl näher zu bringen. Vielleicht könnt ihr es nachempfinden.

In die USA reise ich vorerst nicht mehr!“ Mehrmals habe ich diesen Satz laut ausgesprochen und ernst gemeint. Ich war ja schonmal in Kalifornien und gebe zu: Es war schön. Aber nochmal hin? Spätestens seit ein gewisser Mr T. Präsident ist, hatte ich keine Lust mehr den weiten Flug auf mich zu nehmen, um dann stundenlang an der Grenze zu stehen. Und darauf zu warten, dass ich gnädigerweise in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gelassen werde. Für drei Wochen Urlaub. Und diese ganzen Fragen schon vor dem Abflug am Flughafen: „Was machen sie genau in den USA? Und wie heisst ihr Freund? Und haben sie auch ständig auf ihr Gepäck geachtet? Bla bla bla…“ Ihr kennt das Spiel.

Aber das Leben hört nunmal nicht auf meine Pläne und fixen Sprüche. Jetzt lebt meine beste Freundin in San Francisco und ist vor kurzem Mutter geworden. Für mich war das der beste Grund überhaupt, nochmal nach Kalifornien zu reisen. Ich hatte im Prinzip keine Wahl, wenn ich das Baby noch im Babyalter kennenlernen möchte. Die wachsen aber auch wirklich so schnell. Ja ja, ein Omaspruch. Ist aber so! Also habe ich mir einen Flug gekauft und mich kurz darauf daran erinnert, dass mein ESTA inzwischen natürlich abgelaufen ist. War ja klar. Das kommt also auch noch dazu. Alle Kästchen online richtig anklicken und hoffen, dass man “durchgewunken” wird.

San Francisco Mission Mural

Liften ohne Erfolg

Dann geht es los. Zusammen mit meiner Flugangst setze ich mich in den Flieger nach San Francisco. Nach zwei Stunden Wartezeit bei der Einreise bin ich endlich im Land. Ich bestelle mir ein „Lyft Line“ per App. Zum ersten Mal möchte ich diesen Service ausprobieren. Mir gefällt die Idee, dass ich mir ein Taxi mit mehreren Leuten teile, die in die gleiche Richtung fahren möchten. Allerdings kenne ich mich in San Francisco noch gar nicht aus und habe kein Internet. Als der Fahrer hält, steige ich aus und denke: Endlich angekommen! Aber nein. Ich suche vergeblich nach der Hausnummer, wo ich hinmöchte und merke: Ich befinde mich sechs Blocks davon entfernt.

Schade. Mit Groll im Bauch und meinem riesigen Koffer an der Hand laufe ich über die Hügel San Franciscos. Keine Ahnung, warum das passiert ist. Vielleicht einfach ein Fehler? Oder hatte der Fahrer großen Zeitdruck, um genug Geld zu verdienen und hat daher einfach eine beliebige Stelle gewählt? Alles ist möglich. Ich werde es wohl nie erfahren. Nach 15 Minuten Krafttraining bin ich endlich angekommen und müde in die Arme meiner Freundin gefallen.

Kalifornien: Menschen aus aller Welt

Als ich kurz darauf durch die Straßen von Mission in San Francisco laufe, im Tacos essen zu gehen, bin ich wieder total begeistert. Viele lächelnde und wohlwollende Gesichter und spanischer Singsang in meinen Ohren. Ich merke: Der Groll ist weg. Es ist eben nicht so einfach. Schublade auf. Schublade zu. Das funktioniert nicht. Dieses Land hat so viele Seiten. Hier leben so viele verschiedenste Menschen. Und viele davon sind hergekommen, weil sie Träume hatten. Für sich oder ihre Kinder. Sie wollten etwas erreichen und sind in die USA eingewandert. Haben Mut, Hoffnung und ihre Kultur eingepackt und haben sich in den Staaten ein neues Leben aufgebaut. In Tijuana haben wir einige kennengelernt, die monatelang auf ihre Einreisemöglichkeit gewartet haben.

Und die, die ich an jenem Tag in San Francisco sehe, haben es geschafft. Da, wo sich viele Menschen treffen und zusammenleben, entsteht etwas Neues.

USA San Francisco

Etwas Smalltalk to go

Es gibt viele kleine Details dieser Kultur, die ich schön-schrecklich finde. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich in einen Shop gehe und angestrahlt werde. Und gefragt werde, wie es mir heute geht. Und genauso schnell bin ich wieder traurig, wenn ich merke, dass die Antwort eigentlich keinen interessiert. Schade. Warum fragt ihr dann?

Aber es schwingt eine Leichtigkeit mit in jedem „How are you today?“ Die gefällt mir sehr.

First come – first drive

Ein anderes Thema sind die Autos. Innerlich raste ich jedes Mal wieder aus, wenn ich sehe, wieviel Platz die Autos in den USA bekommen. Und wie wenig Platz die Menschen im Vergleich dazu haben. Sobald ich aber im Auto sitze und die Perspektive ändere, bin ich wieder hellauf begeistert. Kein stressiges Hupen. Kein nahes Auffahren. Im Verkehr geht es hier vergleichsweise ruhig zu. Die Autos halten brav an jedem der vielen Stop-Schilder an. Auch wenn weit und breit kein Mensch und kein Auto zu sehen ist. Und dann geht es gemächlich weiter. Casual 35 Miles per hour. Maximal.

Als ich das erste mal an einer Kreuzung stand mit 4 Stop-Schildern – also einem an jeder Ecke – hatte ich viele Fragezeichen im Kopf. „Und nun?“ habe ich mich gefragt. Die Antwort ist leicht: Es fährt, wer als erster an der Kreuzung angekommen ist. Und so geht es dann weiter. Einer nach dem anderen. Ganz entspannt. Wenn mal unklar ist, wer zuerst da war. Einfach kurz warten und per Blickkontakt abstimmen. Auch das funktioniert hier einwandfrei. Da macht Auto fahren noch viel mehr Spaß als zu Hause. Auch die mega großen Parkplätze machen beim Einparken Spaß. Nehmen aber natürlich leider viel Platz weg. Zugegebenermaßen gibt es hier aber auch einfach mehr Platz.

Geh bitte, sobald du aufgegessen hast.

Oder nehmen wir diese Situation im Restaurant: Möchten Sie noch etwas?“ „Nein danke.“ „Ok, hier die Rechnung.“ Was ist da los? Eben war die Kellnerin noch meine beste Freundin und hatte einen flotten Spruch nach dem anderen auf den Lippen. Und jetzt will sie mich loswerden?

Auch das habe ich auf die harte Tour gelernt. Sobald du nichts mehr bestellst im Restaurant liegt sofort die Rechnung auf deinem Tisch. Zack zack zahlen tschö. Aber Trinkgeld bitte dalassen.

Dabei sitze ich so gerne stundenlang am Tisch und nippe an meinem Wein. Das gefällt mir gar nicht. Aber aus betriebswirtlicher Sicht: So kann man bestimmt einige Leute mehr durch den Betrieb schleusen. Das sehe ich ein.

Santa Cruz Beach Kalifornien Strand
Santa Cruz Broadwalk

Be part of our family

Als ich auf meinem Roadtrip in Santa Cruz ankomme, wartet mein Airbnb-Host Brenda mit einem Lächeln auf mich. Es fühlt sich gleich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Sie zeigt mit das kunterbunte Haus und die Hühner im Garten. Und ich fühle mich sofort wohl bei dieser Familie. Ich darf die komplette Küche mit benutzen und abends laden sie mich ein, mit ihnen am Feuer zu sitzen. Die Großmütter sind dabei, denn auch sie wohnen im Haus.

Außerdem sind Freunde gekommen. Mit denen tauschen sich die Hosts über ihre Businesses aus. Den davon haben sie alle mehrere: Wellness-Angebote, Kältekammer, Floatation-Pools… und alle hoffen darauf, dass sie mit ihrem Unternehmen durchstarten. Und sind dabei total optimistisch, Feuer und Flamme und voller Freude. Überall funkelt die Begeisterung.

So viel Hoffnung bei kleinen eigenen unternehmerischen Ideen. Das habe ich bei einem Feierabendbierchen in Deutschland lange nicht gesehen. Das macht Mut. Gespannt lausche ich stundenlang und wünsche ihnen von Herzen, dass die Pläne aufgehen. Aber falls nicht: Keine Sorge! Ein echter Unternehmer hat sicher bald eine neue Idee.

Amerika: Grenzenloser Optimismus

Dieser grenzenlose Optimismus ist für mich blauäugig und inspirierend zugleich. Diese Leichtigkeit nimmt mich in ihren Bann. Was würdest du tun, wenn du keine Angst mehr vorm Scheitern hättest? Und wo kann ich mir diese Leichtigkeit antrainieren? Gibt es dafür einen Kurs? Oder kann man die kaufen?

Amerika. Anziehend und abstoßend zugleich. Tag und Nacht. Schön und schaurig. Kunterbunt und grau. Süß und sauer. Zuckerwatte und Zahnschmerzen. Dieses Land passt ganz sicher in keine Schublade.

Kirmes Kalifornien USA
Santa Cruz Broadwalk

Auf ein buntes Abenteuer

Amerika. USA. Du erinnerst mich ein bisschen an diesen einen Typen mit dem Zahnpasta-Lächeln. Das war nichts ernstes. Aber er war süß und spannend. Die perfekte Begleitung für die Kirmes. Aber gleichzeitig war er immer etwas unverbindlich und für meinen Geschmack zu sehr „easy going“. Ich wusste nie genau woran ich bei ihm bin. Und wohin das führt – mit uns. Er war so geheimnisvoll. Hat aber vielen gleichzeitig schöne Augen gemacht. Deshalb konnte aus uns nicht „mehr“ werden. Aber das muss es auch nicht.

Manchmal ist es einfach ein schönes buntes Abenteuer. So eins, das auch nach vielen Jahren Abstinenz noch Spaß macht. Deshalb, Kalifornien: Ich werde wiederkommen. Wahrscheinlich.

Venice Beach Kalifornien USA