Meine Geschichten über Barcelona

Zum ersten Mal traue ich mich im November nach Barcelona. Koffer packen kommt mir diesmal besonders schwierig vor. Winterjacke? Die App sagt für die kommenden Tage 20 Grad voraus. Aber irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen und packe einen Mantel ein. Kommt mit nach Barcelona im Herbst.

Es ist viel zu lange her, denke ich, als ich aus dem Flugzeug steige. Vor zwei Jahren war ich zuletzt hier. Gibt es wohl noch…? Ist es so wie bekannt und geliebt? Sind vielleicht diesmal weniger Touristen da? Noch während ich das denke, fange ich an zu kichern. Das ist Quatsch. Jeder weiß, dass Barcelona zum Dauertrendziel Europas geworden ist. Wer keine Menschen mag, ist hier falsch. Insgesamt war ich inzwischen sehr oft in Barcelona. Ich nenne euch keine genaue Zahl, weil ich nicht sicher bin. Aber fest steht: Viele Geschichten rund um die Stadt haben sich in meinen Kopf gebrannt und mischen sich nun bei jedem neuen Besuch mit den neuen Geschichten.

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Zu jeder Jahreszeit schön

Wir steigen in Paral.lel aus der Metro. Unser Airbnb befindet sich im Viertel Poble Sec. Das Viertel hatte ich bisher nicht auf dem Schirm, bin aber sofort begeistert von vielen kleinen Tapas-Bars und Plätzen. Eine echte Entdeckung! Früher war dieses Viertel einmal ein Industriegebiet. Drei Schornsteine von einem Stromversorger erinnern noch heute daran. Ansonsten ist von dem einst „ausgetrockneten Dorf“ nicht viel geblieben. Es befindet sich inmitten des Häusermeeres Barcelonas, am Fuße des Montjuics. Von hier aus können wir laufen: Ins Raval, ins gotische Viertel… oder an den Strand. Klar, man kann inzwischen auch Rikscha fahren, Segway, E-Roller oder mit einem dieser roten Touristenbusse. Aber das ist nicht mein Ding.

Barcelona – am liebsten zu Fuß

Zu Fuß zeigen sich so viel mehr Geheimnisse in einer Stadt. Man kann anhalten. In kleine Innenhöfe gehen. Sich umdrehen, die Perskektive ändern und auf einem der vielen malerischen Plätze Pause machen und sitzen. Zu Fuß erschließt sich die Identität dieser Stadt, in der viele Nationalitäten Zusammenkommen. Wir laufen zickzack durch kleine, einsame Gassen im Raval – vorbei an Jungs, die den ganzen Tag vor ihrer Haustüre sitzen, wie Türsteher. Wir passieren Handyshops, Gemüseläden und Geschäfte, in denen es einfach alles gibt. Und dann sind da plötzlich moderne, stylishe Bars, neben alten urigen Cafés an der Rambla del Raval. Und dazu strahlender Sonnenschein.

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Eins der schönen Cafés im Raval

Der Herbst hat die Bäume bunt gefärbt und lässt sie gelbe, orange Blätter auf die Straßen regnen. Barcelona ist wie dieser Freund, der auch nach Jahren neue Geschichten zu bieten hat, die man bisher noch nicht gehört hat. Jedes Mal finde ich hier neue Plätze, neue Perspektiven und neue Aussichten.

Beim Tapas essen im Poble Sec erklärt uns der Kellner, dass es keine Karte gebe. Er sei die Karte und überhaupt: Am besten solle man Bier trinken. Wir hören auf ihn und essen viele kleine Happen, also Pinchos, die uns von der Theke anlachen. Beim Essen erinnere ich mich an einen Barcelonaurlaub, als wir in einem Hostel in der Nähe der Pl. Reial untergekommen sind. – Eins dieser Hostels, wo du deinen Namen auf das Essen schreibst, wenn du es in den Kühlschrank stellst.

Hostelgezwitscher im Kühlschrank

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Am nächsten Morgen war das Essen weg. Im Kühlschrank lagen dafür gelbe Klebezettel mit Entschuldigungen drauf: „Person X habe Probleme. Sorry. Bitte morgen den Kühlschrank checken, dann läge da Geld drin“. – Es stand kein Name dabei und doch wussten wir gleich, wer es war. Das dünne, junge Mädchen aus unserem Dorm, die allein auf Weltreise war. – Und jeden Abend Party machte. Ihren Namen habe ich vergessen. Aber manchmal denke ich noch heute an sie. Hat sie wohl noch immer Ess-Anfälle? Reist sie noch? Und erinnert sie sich an Barcelona? Ich hoffe es sehr. Das Geld hat sie uns übrigens wirklich wiedergegeben. Und eine Erinnerung für immer.

Ein Meer aus Gassen

Barcelona: viele Brauntöne und Gassen. – Dunkle Gassen, bei denen du nie genau weisst, wohin sie dich bringen. Und welche Geheimnisse sich darin verbergen. – Oder welche ausgezeichneten Bars. In manchen Nächten im Sommer 2010 sind wir einfach von Platz zu Platz gezogen und haben gesessen, gesungen, geredet, die Welt verbessert. – Unter dem Einfluss von Dosenbier. Unfassbar. In jenem Sommer haben wir auch besonders viel Zeit im Park und an den Stränden verbracht, weil wir tagsüber zu nichts anderem in der Lage waren.

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Der Strand im Herbst

Besondere Magie üben auf mich seit jeher die Bauten von Gaudí aus. Der Besuch im Park Güell kostet inzwischen Eintritt. – Man sollte die Ticktes am besten vorher online kaufen. Aber solange diese außergewöhnliche Parkanlage dadurch geschützt wird, ist es mir das wert. Der Park ist zwischen 1900 und 1914 gebaut worden und strahlt so viel Farbe, Verspieltheit und Freude aus, dass ich mich dort fühle wie Alice im Wunderland. Wie gern würde ich mich hier allein hinsetzen und bei dieser Aussicht über die Stadt bis hin zum Meer ein Buch lesen. Leider sind überall Menschen, die versuchen ein bis hundert schöne Bilder zu schießen. Kein Vergleich zu den Aufnahmen aus Filmen wie „L’Auberge Espagnole“ und trotzdem komme ich immer wieder. Diese Architektur ist einfach atemberaubend.

Abendsonne

Abends zeigt Barcelona ein anderes Gesicht

Und dann gibt es da die Geschichte der „Bar 7“. Ich kann euch die Adresse googeln, wenn ihr mögt. Aber ich kenne sie nicht. Die Bar 7 kenne ich seit dem Jahr 2012. Wir waren in einem furchtbaren Hostel in einem Dorm mit 12 Menschen untergekommen. Und Abends kamen da immer selbsternannte Partyexperten vorbei, um die willige Crowd durch Barcelona zu treiben und in große Discos zu schleppen.

Wer mich kennt: Das ist überhaupt nicht mein Ding. Aber schön zu sehen: Oft denken sich Menschen, die keinen Job haben hier einfach einen aus. Wie praktisch! Ich hab mich damals kurz mit dem Typen, also dem Partyreiseführer unterhalten. Er war Ende zwanzig und kam eigentlich aus Rumänien. Aber damals feierte er für eine Weile das Leben in Barcelona. Ich erklärte ihm, das ich gern weggehen würde. Aber nicht in einen großen Club, sondern lieber in eine Bar. Gerne urig. Gerne ranzig und normal. Und da erzählte er von der Bar 7. Zur Placa Reial. Und dann abbiegen und dann izquierda, izquierda, izquierda. Also links, links, links.

Die Bar 7

Er hatte nicht zu viel versprochen: Wir haben eine kleine Bar gefunden – gleich neben drei Pollern, die inzwischen rot angemalt worden sind. Warum – keine Ahnung. In der Bar bediente ein Mexikaner und machte mir eine starke Michelada. Im Hinterzimmer spielte eine Band. Perfekt. Jedesmal laufe ich nun durch Barcelona bis ich diese Bar wiedergefunden habe. Es gibt sie noch – und allein das liebe ich.

Streetart

Barcelona: Eine Stadt voller Geschichten, Menschen, die kommen, eine Zeit bleiben und wieder gehen. Für mich ist und bleibt die Stadt eine der schönsten Europas. Hier fühle ich mich wohl. – Denn Unvollkommenheit gehört hier zum guten Ton.

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Athene

Fotos: Raphael Pi Permantier & Athene Pi Permantier

Ein Sonntag im Mai in Karlsruhe: Alter Schlachthof

Der Sonntag hat sich schön gemacht: Die Sonne scheint, es ist 26 Grad warm und wir sausen in kurzer Hose auf dem Rad quer durch Karlsruhe. – Zum „Alten Schlachthof“, denn da ist Tag der offenen Tür.

Die Haare fliegen, das Leben fühlt sich leicht an. Es ist der erste Tag in diesem Jahr, an dem ich die Wärme so wahrnehme. Ich grinse mit mir selbst um die Wette, strahle jeden an, der mir auf dem Rad entgegenkommt und will damit sagen: “ Ist dieser Tag nicht perfekt? Sollte es nicht immer genau so sein?“ Natürlich nicht, denn dann wäre es nichts besonderes mehr. Aber an Tagen wie diesen kann ich mich in meiner Stadt, zu Hause wie im Urlaub fühlen. Es ist ja auch eine Art Mini-Urlaub. Es ist das erste freie Wochenende seit langen. Das macht diesen Moment zum Glück zum Quadrat. Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo ich gerade lieber wäre. Das alte graue Fahrrad fährt noch – es hat immerhin drei Gänge. Der Wind lässt die Beine spüren, was sie so lange vermisst haben: Freiheit und Luft.  Über den Winter hatte ich ganz vergessen, wieviel besser es sich in kurzer Hose lebt.

Ausflug: Alter Schlachthof

Wir machen einen Ausflug und landen am „Alten Schlachthof“ in Karlsruhe, denn da ist heute Tag der offenen Tür. Die Büro-Gemeinschaften, Cafés und Clubs haben alle geöffnet, um uns zu zeigen was sie normalerweise arbeiten. Ich war bisher noch nie in der Gegend und fühle mich auf dem alten Gelände wie in Fancy-Hausen. Lauter alte Schlachthof-Gebäude, die umgebaut worden sind zu Orten, wo Menschen jeden Tag arbeiten. In der alten Hackerei zum Beispiel erinnern die Kacheln an der Wand noch daran, was da früher einmal gemacht worden ist. Heute finden hier Partys und kleine Konzerte statt. In manchen Gebäuden ist die Essenz der Architektur erhalten geblieben und daneben sind neue Elemente eingezogen worden, damit da Menschen kreativ werden und arbeiten können. – In Containern zum Beispiel.

Alter Schlachthof

Auch ein Autor von Surfbüchern hat in einem solchen Gebäude zum Beispiel seinen Schreibtisch stehen und tippt seine Texte, wenn er nicht gerade an der Algarve surfen ist. Ich bin begeistert auf wieviele tolle Ideen Menschen kommen, um alte Räume mit Geschichte so zu modernisieren, dass der Charakter erkennbar bleibt und trotzdem wirkt auf einmal alles urban und modern.

Die Zeit rennt, wir sind stundenlang über das Gelände flaniert, haben Unmengen Kaffee, Eis, Pommes und andere Schweinereien genossen und dann, als es vorbei hätte sein können, haben wir uns in ein Café gesetzt. Einfach so. Wir saßen in der Sonne, bis es spät war. Und es war perfekt. Das war einer dieser Momente, wo das Glück kurz greifbar war.

Heute habe ich Karlsruhe von einer neuen Seite kennengelernt. Dafür bin ich dankbar. Die Schönheit in den Dingen, die so naheliegend sind, beeindruckt mich besonders.

Foto: Raphael Pi Permantier

Karlsruhe – Baden-Baden: Von der Sonne wachgeküsst

Als ich morgens, gegen 6:20 das Haus verlasse, wird es langsam hell und die Straßenlaternen gehen aus. Vögel zwitschern und es riecht nach Pflanzen und Bäumen: Frisch, süß und hoffnungsvoll. Dieser verheißungsvolle Frühlingsduft, der verspricht: Heute könnte es zauberhaft werden. Der Tag liegt noch vor dir. Mach was draus. Und schon geht es los: Sonnenaufgang. 

Noch ist es kühl, im Auto läuft das Radio und auf der Autobahn rollen die LKW fleißig hintereinander her.

Auf einmal trifft mich die Mörgenröte unverhofft von der Seite. Erst rosa, dann orange und so kraftvoll, wie es kein Smartphonefilter hinbekommen könnte. Die Sonne klettert am Horizont in die Höhe. Sie strahlt mit sich selbst um die Wette, ist greller und schöner als ich sie in Erinnerung habe. Sie flirtet mit mir – ich habe dieses Kribbeln im Bauch.

Ein Sonnenaufgang macht Kribbeln im Bauch

Sie lacht mich an und ich habe das Gefühl, dass dieser Moment nur uns gehört: Der Sonne und mir. Mein Gesicht wird warm und hell. Und ich lächle vor mich hin. Irgendwo zwischen Karlsruhe und Baden-Baden.

Auf einmal läuft im Radio „Don’t stop me now“ von Queen und alles fügt sich zusammen. Ich habe das Gefühl, ich muss platzen vor Glück. Das Auto fliegt mit mir über die Autobahn. Ich habe Rückenwind, vergesse die Zeit und könnte ewig weiterfahren. – Immer neben der aufgehenden Sonne her. Was für ein perfekter Moment. Am liebsten würde ich ihn festhalten, einfrieren, einschließen. Das ist für mich die Definition von Frühlingsgefühlen.

Das ist der erste richtige Frühlingsmorgen im Jahr 2016, am 21. April. Heute kann mir nichts passieren. Ich wurde von der Sonne wachgeküsst. Vielen Dank Sonnenaufgang.

Sonnenaufgang

P.S. Leider gibt es von dieser kleinen Affaire keine Bilder. – Ich saß ja im Auto. Falls ihr für die Stimmung trotzdem einen Sonnenaufgang sehen wollt: Der hier ist auch aus Karlsruhe. Vom Turmberg aus.