Dieses gemütliche Kuschelgefühl vor Weihnachten, wenn alles nach Keks riecht und die Lust auf Glühwein jeden Tag wiederkommt. Wo ist das in diesem Jahr? Wie komme ich in Weihnachtsstimmung? Bei mir hat sich das Gefühl jedenfalls nicht blicken lassen. Es weihnachtet sehr – allerdings nur auf dem Kalender, denn es ist der 20. Dezember. Wir haben sogar schon Plätzchen gebacken, aber es ändert nichts.
Wahnsinn! Eben habe ich die vierte Kerze auf unserem Adventskranz angezündet und gehofft das würde irgendetwas ändern und das Weihnachtsgefühl doch noch herschicken. Bisher vergeblich. Irgendwie auch klar: Draussen ist es 15 Grad warm, ich traue mich noch nicht einmal an Schnee zu denken, ich glaube ich habe sogar vergessen wie der aussieht.
Das wird nicht das erste Weihnachtsfest sein, dass ich bei warmen Temperaturen verbringe. Ich bin in Chile geboren – an die ersten Feste da kann ich mich allerdings nicht erinnern, wohl aber an ein Weihnachtsfest dort mit 16. Ich war im Schüleraustausch für sechs Monate in Santiago bei meiner Gastfamilie und habe da zum ersten Mal Weihnachten bei 40 Grad erlebt. Das ironischste war damals für mich, dass in diversen Shopping-Malls in Santiago riesige Weihnachtsbäume standen – oft mit Kunstschnee bedeckt und manchmal saß daneben noch ein Weihnachtsmann, der sich die Wünsche der Kinder angehört hat. Das wirkte immer wie im falschen Film: Strahlender Sonnenschein draussen, alle rennen im leichten T-Shirt rum und in der Mall läuft Jingle Bells in Dauerschleife. Damals dachte ich schon: Darauf könnt ich jetzt auch verzichten.
Selbst bei meiner Gastfamilie zu Hause gab es einen Weihnachtsbaum. Nein, der wurde nicht von weit her geschickt, der war einfach 1 Meter groß, aus Plastik und komplett weiss. Äh ja. Weil ja Schnee und so. Egal. Jedenfalls hatten wir so einen Ort, wo wir unsere Geschenke drunterlegen konnten. Aber ansonsten war dieses Weihnachten eher eine große Sommerparty mit Grillen und zum Nachtisch sind wir alle in den Pool gesprungen. – Auch so kann Weihnachten sein. Auch wenn die Stimmung nicht wirklich besinnlich war. Es war ein großes Fest mit großartigen Menschen und viel Wärme – in jedem Sinne.
Weihnachten am Strand – ungewohnt großartig
Als ich 2007 im Juli für ein Jahr nach Chile gegangen bin, um in Valparaiso zu studieren, war klar: Das wird wieder ein Weihnachten ohne Schnee und Minusgrade. Diesmal war aber etwas anders: Meine Mutter hatte sich angekündigt. Sie hat mich von Anfang Dezember bis Januar besucht und diesmal sind wir gemeinsam in die weihnachtlichen Traditionen meiner Gastfamilie eingetaucht. Hol dein schönstes Sommerkleid raus und es geht los: Am 25. Dezember sitzen dort immer alle an einer langen Tafel im Garten – dazu natürlich: gegrilltes Fleisch und Fisch, chilenischer Wein und Pisco Sour. (Das beste chilenische Getränk überhaupt!) So also auch in diesem Jahr. Hinterher werden Geschenke ausgetauscht – irgendjemand bekommt immer etwas mit „Hello Kitty“ – Aufdruck geschenkt. Ich glaube in jenem Jahr war ich es selbst. Ganz angenehm ist insgesamt, dass die Geschenke eher klein sind – kleine Aufmerksamkeiten.
Am zweiten Weihnachtstag sind wir ans Meer gefahren, durch den warmen Sand gelaufen und konnten unser Glück nicht fassen. – Wir hatten so viel auf einmal: Wieder wenig besinnliches mit Plätzchenduft, aber dafür Menschen, die wir gern haben um uns herum und einen Sommerurlaub mit Entspannung am Meer in Reñaca bei Valparaiso.
Auch ohne selbstgebackene Kekse, Glöckchen und Glühwein werde ich dieses Weihnachtsfest nie vergessen, denn das wichtigste an Weihnachten ist und bleibt für mich die Zeit mit Freunden und Familie: Das Beisammensein, essen, Unsinn reden, Witze machen und die Menschen, die man besonders gut kennt, necken.
Meine Gastfamilie ist für mich mehr „Familie“ als „Gast“ geworden. Auch da bekomme ich seit jeher viel Wärme – jedes Mal wenn ich da bin, ganz egal wie lang das letzte Mal her ist. Ihr werdet es schon gemerkt haben: Familie ist für mich weit mehr als direkte Verwandtschaft. Familie sind alle Menschen, mit denen ich gelebt habe und die mich über die Jahre geprägt haben. Das sind die Menschen mit denen ich lachen und weinen kann. – Und die, an denen ich mich reiben kann! Familie, das ist ein Ort, wo Streit ok ist und schnell wieder vergessen wird. Wo man nach den Weihnachtstagen wegfahren kann und sich kurz denkt: Zum Glück kann ich wieder heim. Und zwei Tage später vermisst man sie schon wieder.
Ich denke es ist ein Geschenk, wenn nicht jedes Weihnachtsfest genau gleich nach Schema F abläuft. – Wenn Weihnachten nicht nur Routine und Tradition ist.
Nach einem solchen Jahr in Chile mit Sommer-Weihnachten konnte ich mich wieder richtig auf die ganzen Weihnachtsdates mit den Verwandten in Aachen und Umgebung freuen. – Auch auf den Glühwein und die wuselige Stimmung in den Innenstädten kurz vor Weihnachten.
Vielleicht ist es ja mit diesem warmen 2015 auch so: Es ist einfach ein etwas anderes Weihnachtsfest. Ich war dieses Jahr zum Beispiel noch kein einziges Mal auf dem Weihnachtsmarkt. Es war einfach nicht kalt genug. Aber 2016 gibt es ja hoffentlich wieder die Möglichkeit. Und bis dahin freue ich mich auf die kommenden Weihnachtstage in Aachen und die Frankfurter Umgebung. Am 24. werden wir auf der Fahrt nach Aachen eine Weihnachtsplaylist auflegen, mitsingen und spätestens am Weihnachtsbaum ist es dann wieder da: Das warme Familiengefühl.