Nach der Hochzeit haben wir beide maximal noch eine Woche frei. Das reicht nie im Leben für Flitterwochen, wie ich sie mir erträumt habe. Einziger Ausweg – wie er zu mir passt: Zwei Mal wegfahren. Einmal kurz. Einmal lang. Minimoon und Honeymoon. – Also sind wir nach der Hochzeit für eine Woche nach Gran Canaria gereist. So konnten wir die ganze Aufregung verarbeiten und das Meer genießen.
Am Flughafen steigen wir in eine kleine Blechbüchse, die an ein Spielzeug erinnert: Unseren gemieteten Fiat 500. Noch nie zuvor habe ich in so einem kleinen Auto gesessen. Wir fahren am Meer entlang in Richtung Norden, lassen Las Palmas hinter uns und fahren an vielen kleinen Orten vorbei bis wir unser Airbnb in „El Roque“ erreichen.
Ein weißes Häusermeer auf einem großen Felsen, der weit ins Meer hinaus ragt. – Die Häuser türmen sich nach oben, rechts und links klatschen die Wellen gegen das Gestein. Am Fuße des Massivs parken wir das Auto. Ab hier gibt es nur noch Fußgängerwege. Wir schlängeln uns vorbei an Leuten, die auf der Veranda ihren Kaffee genießen und den neusten Klatsch austauschen und schieben unsere Koffer bis zur Spitze des Felsens. – Denn hier werden wir drei Nächte verbringen.
Die Unterkunft in „El Roque“
Die Wohnung ist unglaublich schön: Große Wohnküche und großer Balkon und daneben ein Schlafraum, den man mit einem Vorhang abtrennen kann. Die perfekte Größe für ein frisch verheiratetes Paar. Abends sitzen wir bei Rotwein am Fenster, essen unsere selbstgemachte Pasta und hören stundenlang dem Meer zu. Fast unwirklich kommt es mir vor, dass wir vor drei Tagen erst geheiratet haben und jetzt schon in einer ganz anderen Welt sind: Auf Gran Canaria.
Weit weg vom Vorbereitungsstress und der Angst, ob wohl alles gut gehen wird. An der Küchentür hängt mein Brautkleid. Ich habe es mitgenommen, damit wir Bilder am Strand von Gran Canaria machen können. Ein ewiger Traum von mir. Das Kleid haben wir für den Transport einmal gefaltet und in einen extra Koffer gepackt. Ich freue mich, dass es hier nochmal einen Auftritt bekommt. Nachts schlafe ich tief und fest – und wache morgens mit dem Rauschen der Wellen auf. Als ich aus dem Fenster schaue, traue ich meinen Augen nicht: Direkt neben „El Roque“ gibt es einen Surfspot. Allerdings nicht für mich, sondern für Menschen mit deutlich mehr Erfahrung. Aber mir reicht es schon zuzuschauen, wie die Surfer eine Welle nach der anderen anpaddeln, stehen und auf das Land zusausen.
Der Norden Gran Canarias
Wir setzen uns in das Miniauto, um den Norden Gran Canarias kennenzulernen. Die großen Hotels befinden sich alle im Süden, denn da ist das Klima nochmal deutlich milder – und es gibt mehr Sonnentage. Verrückt oder? Von Las Palmas de Gran Canaria in den Süden nach Maspalomas braucht man 40 Minuten mit dem Auto und trotzdem gibt es verschiedene Klimazonen. Bei uns im Norden ist es oft diesig und neblig am Meer.
An dem Tag verzieht sich der Dunst aber schnell und wir fahren durch den Sonnenschein an der nördlichen Küste. Die Straße erinnert ein wenig an die „Route One“ in Kalifornien: Die führt am Meer entlang und hängt immer wieder waghalsig an den großen Felsen am Meer. Der Ausblick ist einfach gigantisch. Immer wieder halten wir an, um die Weite, das Meer und die Höhe auf uns wirken zu lassen. Die meisten Felsen sind kark. Zwischendurch fahren wir aber durch kleine Täler, wo man sieht, dass manchmal ein Bach hindurch führt (je nach Wasser- und Regenlage). Und plötzlich ist es grün und ein paar Häuser stehen herum – in Wassernähe.
Wir begegnen nur wenigen Autos – Ende September scheint hier im Norden wenig los zu sein. Zwischendurch machen wir Halt in Galdar und laufen durch kleine Gassen und sehen Bewohner in der Mittagshitze im Schatten dösen. Und danach fahren wir noch zum Hafen von Agaete: Hier legen Fähren zu anderen kanarischen Inseln ab. Ein ruhiges Örtchen am Wasser: Ich fühle mich rundum wohl.
Las Palmas de Gran Canaria
Surfen
Stadt mit Strand, Stadt mit Hafen, Stadt mit historischen Gebäuden. Las Palmas de Gran Canaria entspricht genau meinem Beuteschema. Auf solche Städte fahre ich ab. Verzeiht mir, wenn ich hier mit der verklärten Brille schreibe. Wer verliebt ist, sieht alles ein bisschen heller und schöner.
Wir wohnen in einer kleinen Ferienwohnung in einem Mietshaus: Ein Zimmer, Küche, Bad: Klein aber nur für uns. Die Strandpromenade befindet sich keine 2 Minuten entfernt. Morgens schlendern wir am Wasser entlang. Sitzen ein wenig am endlosen Sandstrand und laufen schließlich weiter – bis ans Ende der Bucht, denn da befindet sich der Beachbreak für Gelegenheitssurfer wie uns: La Cicer. Und direkt dahinter, neben dem künstlichen Wellenbrecher ist ein Spot für Menschen mit besseren Skills und größerem Surfer-Selbstbewusstsein: Muellitos. Die Kanarischen Inseln sind einfach perfekt, um surfen zu lernen. Oder an seinen „Skills“ zu arbeiten.
Wir finden einen kleinen, gemütlichen Surf-Verleih, lassen uns die Spots erklären und laufen mit den Boards über den warmen Asphalt in Richtung Wasser. Wie hatte ich dieses Gefühl vermisst: In die Wellen werfen, alles geben bis ich meine Arme nicht mehr spüren und meine Kehle brennt vor Durst. Und trotzdem will ich nicht aufhören. Surfen ist wie eine Droge. Eine Welle noch. Na gut noch eine. Vielleicht noch eine letzte?
Als die Sonne uns zu sehr auf dem Kopf zu brennen beginnt, bringen wir die Boards zurück und schlendern über die Promenade zurück.
In der Gegend unserer Unterkunft ist das Wasser ruhig: Gleiche Bucht, aber ganz andere Aussicht. Hier kann man stundenlang schnorcheln oder mit dem Stand Up Paddle Board herumdümpeln. Verrückt wieviele verschiedene Gesichter das Meer hat.
Allein das reicht mir. Tagelang könnte ich an den Strand gehen, surfen, am Strand sitzen, abends ein Bier trinken, schlafen.. und wieder surfen oder paddeln.
Vegueta – Las Palmas de Gran Canaria
Wir haben den Tipp bekommen, dass wir uns noch das Viertel Triana und die Altstadt Gran Canarias anschauen sollen: Vegueta. Die Calle Triana ist im Grunde eine klassische Einkaufsstraße. – Aber mit einer viel schöneren Architektur als in den meisten anderen Städten: Gebäude, die um das Jahr 1900 erbaut worden sind und verwunschene Fassaden im Jugendstil. Und wie von alleine haben wir auf einmal Vegueta erreicht.
Durch die Altstadt Vegueta führen kleine Gassen im zick zack, auf einmal stehen wir vor der Kathedrale Santa Ana aus dem Jahr 1497, sitzen auf gemütlichen Plätzen und bewundern das alte Rathaus. Wir kommen extra am Donnerstag her, denn abends verwandelt es sich in ein kleines Tapas-Paradies. In jeder Kneipe, an jeder Ecke werden die verschiedensten Häppchen aufgebaut und man „isst sich die Straße entlang“. Hier ein Spieß mit Hähnchen, da ein Avocado-Brot-Häppchen, da ein Stück Wurst. Und dazu Bier in Plastikbechern. Es erinnert ein bisschen an eine ausgelassene Studentenparty – nur, dass es hier deutlich besseres Essen gibt. Aus allen Häusern strömen Menschen, die offenbar wirklich das Glück haben dort zu leben und genießen ihren Feierabend an den Tischen neben uns.
Wellness im Süden
Wir sind ja nicht nur zum Spaß hier auf der wunderbaren Insel Gran Canaria. Es ist noch immer unser Minimoon. Da muss es ja wohl auch ein paar kleine Flitterwochenelemente geben, denke ich mir und stelle fest, dass man im Süden der Insel einen guten Wellness-Tag einlegen kann. Rund um Maspalomas stehen viele große Hotelanlagen und in vielen davon gibt es Spas, Pools oder Massage-Tempel. Und die meisten kann man auch für einen Tag besuchen, ohne dass man in einem solchen Hotel schlafen muss. Perfekt. Wir entscheiden uns für ein Thalasso-Paket im Lopesan Villa del Conde Resort & Thalasso. – Vorher hatte ich nie davon gehört. Thalasso ist Heilkraft aus dem Meer und wird auch zur Behandlung von Krankheiten benutzt. Dafür braucht man aber natürlich mehr als einen Tag Zeit.
Im Lopesan Spa machen wir einen Rundgang durch verschiedene Schwimmbecken mit unterschiedlichsten Temperaturen. – Mal mit mehr und mal mit weniger Salz drin. Im ersten werden die Muskeln angenehm entspannt, denn es gibt unendlich viele Wasserstrahlen: Über Wasser und unter Wasser. In einem anderen Becken ist so viel Salz, dass man von alleine oben schwimmt und schwebt. Super entspannend! Zwischendurch entspannen wir auf warmen Liegen, laufen durch das kalte Kneipp-Becken und lassen unsere Füße von kleinen Steinchen massieren, stehen unter Öl-Duschen, oder sitzen im Dampfbad und zum krönenden Abschluss gönnen wir uns noch eine Massage. So tiefenentspannt wie an diesem Tag war ich noch nie.
Maspalomas: Zauberhafte Dünen im Süden
Nicht abschrecken lassen: Im Süden – gleich neben ein paar Luxushotels – befinden sich auch die wundervollen Dünen von Maspalomas. Das ist auch der Ort für unser Honeymoon-Shooting. Endlose Hügel aus Sand, über die man in Richtung Strand und Meer spazieren kann.
Bei Nacht werden sie vom Wind oft wieder hübsch aufgepustet, so dass man durch unberührten Sand laufen und seine Fußabdrücke hinterlassen kann. Es lohnt sich etwas Zeit mitzubringen und mindestens 15 Minuten zu laufen. Die meisten bleiben nämlich in Sichtweite des Hotels. Sobald man Dünen ganz für sich allein hat, ist es wirklich ein unbeschreiblich schöner Ausblick. Das war einer dieser Momente, in denen ich versucht habe, die ganze Umgebung mit den Augen zu fotografieren und einzuatmen. Damit ich dieses wunderbare Gefühl, das mir der Ort gegeben hat, nie wieder vergesse.
Fotos: Raphael Pi Permantier & Aljosa Petric